ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Unterschlupfmöglichkeiten.«
Es ist der deutsche Krake, der sich als Unschuldslamm auszugeben versucht, weil er die gesetzlichen Schlupflöcher kennt, insbesondere beim Persönlichkeitsschutz, der in Deutschland streng geregelt ist. Petra Reskis 2008 erschienenes Buch Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern wurde veröffentlicht, danach mussten Passagen geschwärzt werden, in denen die Namen von mutmaßlichen Mafiosi erscheinen. Die Perversion rechtsstaatlicher Prinzipien zeigt sich im deutschen Pressekodex in Richtlinie 8.1. zur Berichterstattung über Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, wo es heißt: »Die Presse veröffentlicht Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt.«
Gepixelte Fotos, abgekürzte Namen, nicht erwähnte Tatorte. Der Anschlag, wie er sich in Duisburg ereignet hat, erschüttert nicht nur ein italienisches Restaurant. Er rüttelt auch ein Bewusstsein im Tiefschlaf wach, das von einer Informationspolitik ruhiggestellt ist, welche einem schlichten, aber effizienten Syllogismus folgt: Wenn man nicht über die Mafia spricht, existiert sie nicht. Obwohl das Blut mittlerweile die Gehsteige befleckt und die Leichen auf allen Fernsehkanälen zu sehen sind. Wie konnte das passieren? Warum ist es passiert? Fragen, die nicht nur Journalisten betreffen, sondern jeden
Staatsbürger. Die unerhörte Gewalt lässt den gewohnten Lauf der Dinge ins Stocken geraten und das Getriebe einen Augenblick knirschend zum Stillstand kommen. Doch dann, ganz langsam, greifen die Rädchen erneut ineinander, und die Maschine läuft wieder wie geschmiert. Es ist ein schrecklicher Irrtum zu glauben, man hätte mit dieser internen Abrechnung unter Wilden nichts zu tun. Es ist ein Irrtum zu glauben, es existiere in Deutschland kein Krake, er habe nie existiert und könne hier niemals Fuß fassen. Wer darüber zu reden versucht, wie Jürgen Roth in seinem Buch Mafialand Deutschland, wird mit einstweiligen Verfügungen überzogen. In Ländern wie Mexiko werden Journalisten mit Waffengewalt zum Schweigen gebracht, in Ländern wie Deutschland geschieht dies mit gesetzlichen Mitteln. Und auch ich musste für die Veröffentlichung dieses Buches auf Deutsch Namen von Personen ändern, gegen die nicht nur polizeilich ermittelt wurde, sondern die zum Teil wegen Drogenhandels oder Geldwäsche auch bereits gerichtlich verurteilt worden waren. Ich musste auf die Nennung ihrer geschäftlichen Aktivitäten verzichten, obwohl deren Illegalität in den Ermittlungsakten dokumentiert ist. Die Nennung ihrer richtigen Namen wird als Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte betrachtet. Ihre Namen zu kennen scheint nicht im Interesse der Öffentlichkeit zu liegen. Also herrscht Stillschweigen, zumindest bis zum nächsten Schlag. Solange die Namen der Verdächtigen und Beschuldigten in den Gerichtsakten weggesperrt bleiben und nur Fachleuten zugänglich sind, wird die Mafia ein Irrtum der Geschichte bleiben, eine temporäre Störung.
Warum? lautet die brennende Frage, die von den tagesaktuellen Nachrichten übertönt wird. »Warum?« steht auf einem Stück Karton inmitten der Blumen vor dem Restaurant Da
Bruno. Warum, so frage ich, kommt es niemandem in den Sinn, in Deutschland Mafiaalarm zu schlagen?
Nach BKA-Berichten der letzten Jahre stehen fast vierzig Prozent aller in Deutschland von kriminellen Organisationen verübten Morde mit dem Drogenhandel in Verbindung. Allein im Jahr 2010 wurden mehr als 3300 Beschlagnahmungen von Kokain mit einer Gesamtmenge von drei Tonnen registriert. Es war ein Rekordjahr, in dem die Menge des sichergestellten Kokains gegenüber dem Vorjahr um achtundsiebzig Prozent stieg. Es war das Jahr der 31 Paletten mit Holzbriketts, in denen mehr als tausend Pakete reinstes Kokain versteckt waren.
Sie gelangten auf einem Schiff aus dem paraguayanischen Asuncion in den Hamburger Hafen. Die Holzbrikett-Transporte zwischen Südamerika und Deutschland waren den Ermittlern schon seit längerem verdächtig, die wussten, dass sie früher oder später fündig werden würden. Im selben Jahr wurden, gleichfalls im Hamburger Hafen, 350 Kilo Kokain im Wert von rund 15 Millionen Dollar beschlagnahmt, die in Containern mit Sandsteinen versteckt waren. Und erst vor wenigen Monaten entdeckten in Straelen am Niederrhein
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