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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Küste brachte. Es konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob es den Männern des Kartells gelungen war, die Codes der US-Marine zu entschlüsseln, wahrscheinlich hatte aber ein kolumbianischer Admiral ihnen Tipps gegeben, mit denen sie durch die Maschen der Küstenwache schlüpfen konnten.
    Die Drogen-U-Boote werden heute noch in Werften gebaut, die im südamerikanischen Dschungel verborgen liegen. Niemand weiß, wie viele solcher U-Boote die Narcos gebaut haben, wer alles an der Fertigung und an den Testläufen beteiligt ist, über welche Zuflüsse des Amazonas sie ins Meer geschleust werden oder wie viele von ihnen zusammen mit der Besatzung im Ozean versunken sind. Niemand weiß, wie viele versenkt wurden, um ihre Beschlagnahmung zu verhindern, oder wie viele ihre Fahrt erfolgreich zu Ende führen konnten. Aber es gibt noch einen weiteren unglaublichen Aspekt. Dieser ganze Aufwand an Personal, Material und Geld dient der Herstellung eines Wegwerfartikels, eines lenkbaren allerdings. Oder vielleicht sollte man eher sagen, die bescheideneren Drogen-U-Boote ähneln jenen Tierarten, deren Leben sich in wenigen Reproduktionszyklen erschöpft. Nachdem sie ihre Fracht losgeworden sind, lässt man sie nicht selten auf den Grund sinken. Die Besatzung nimmt auf dem Rückweg einen Linienflug. Millionen Dollar werden regelrecht ins Meer geworfen.
    Rund zwei Millionen war das Tauchboot wert, das die mexikanische Marine 2008 in pazifischen Gewässern in Höhe von
    Salina Cruz im Bundesstaat Oaxaca entdeckte. Der merkwürdige grüne Fleck, der gesichtet wurde, erwies sich als ein zehn Meter langes, schlankes Boot, in dem fast sechs Tonnen Kokain verstaut waren. Kolumbianisch war die Ware, Kolumbianer waren die vier Matrosen, die sich widerstandslos ergaben.
    Doch der Empfänger des Stoffs war ein Mexikaner. Alberto Sanchez Hinojosa, »El Tony«, einer der Statthalter des GolfKartells nach der Verhaftung von Osiel Cardenas Guillen, wurde zwei Monate später im südmexikanischen Bundesstaat Tabasco verhaftet.
    Die neuesten und ausgefeiltesten Modelle sind hingegen richtige U-Boote. Sie sind etwas größer und schaffen problemlos die Distanz von Mittelamerika bis nach Kalifornien. Bisher wurden nur drei abgefangen, aber in einem so kurzen Zeitraum, dass man vermuten darf, es seien viel mehr in Betrieb gegangen.
    Der einzige bisher bekannte Versuch eines Exports ins Mittelmeer nahm ein tragikomisches Ende. Zwei spanische Geschäftemacher gaben das Geld, und ein »Ingenieur« stellte eine Halle zur Verfügung, in der er ein Tauchboot ohne große Ansprüche baute: neun Meter lang und mit nur einem Mann Besatzung. Das geschah 2006 in Galicien, dem beliebtesten Landstrich für die Anlandung von Kokain in Europa. Es gelingt den dreien, sich mit den richtigen Leuten in Verbindung zu setzen, vor denen sie Ehrfurcht verspüren: den Kolumbianern. Sie überlassen ihnen ihr Eigenbauprodukt für den bescheidenen Preis von 100 000 Euro. Die Narcos möchten es zum Löschen eines Mutterschiffs benutzen, und der »Ingenieur« soll sein Juwel am Ende des Testlaufs übergeben. Doch das Tauchboot macht Zicken, und der Zauberlehrling gerät in Panik. Er hat genauso viel Angst, in seinem Boot im Atlantik zu ersticken,
    wie vor den Käufern, denen er ein untaugliches Gefährt verkauft hat. Um ungeschoren davonzukommen, überlegt er sich, das Tauchboot dem Feind zu übergeben, um dann den Narcos zu erzählen, die Polizei habe ihn abgefangen. Doch auch die geht ihm nicht auf den Leim. Die Ermittler warten, bis der »Ingenieur« und seine Partner die Ankunft einer Partie Haschisch organisieren, um die Schulden bei den Kolumbianern auszugleichen, und nehmen sie fest. Die Meister nachzuahmen hat sich als gar nicht so einfach erwiesen, und die drei Spanier, die es versucht haben, mussten zur Kenntnis nehmen, wie sehr sie den Bewohnern ihrer ehemaligen Kolonien unterlegen sind.
    Denn so ist es doch: Die Welt und das Gleichgewicht der Macht haben sich auch dank des Kokainhandels verändert. Es wäre zu einfach, diese Episode als kuriose Meldung abzutun. Genauso wenig darf man sie leichthin als Beleg dafür nehmen, dass die südamerikanischen Kartelle im alten Europa nie werden Fuß fassen können. Das stimmt nämlich nicht. Schon heute gibt es in Europa einen neuen Typus von Seeleuten, die mit den Steuermännern der mit Schmuggelzigaretten beladenen Motorboote der achtziger und neunziger Jahre kaum noch etwas zu tun haben. Das waren einfache Handlanger im

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