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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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gehandelt hatte. Viele sahen in der Exekution des Präsidenten die Rache des Militärs für die Ermordung von Generalstabschef Batista Tagme Na Waie einen Tag zuvor. Andere interpretierten das Attentat als Vergeltungsakt der im Land verwurzelten kolumbianischen Drogenhändler wegen der Absetzung des Oberbefehlshabers der Marine, Konteradmiral Bubo Na Tchuto, der im Verdacht stand, mit den Drogenkartellen gemeinsame Sache zu machen. Für Ma-madu war es einfach nur eine weitere Wunde für das Land.
    2007 bezeichnete das Time Magazine Guinea-Bissau treffend als eine Drehscheibe. Einen Nichtstaat, der die Drogenhändler aufnimmt und ihre Ware weiterleitet. Das ist nicht schwer, wenn vor der Küste ein Archipel aus achtundachtzig Inseln liegt, auf denen mit Drogen beladene Kleinflugzeuge landen können. Eine Freizone, in der die Kartelle nach Belieben schalten und walten können. Ein praktisch unbewohntes irdisches Paradies mit üppiger Vegetation, gesäumt von strahlend weißen Stränden, aber zerfurcht von improvisierten Landebahnen. Auf einer dieser Pisten landet die Cessna, die Mamadus Leben verändern sollte. Die Cessna ist für ihre Aufgabe bestens geeignet: sie ist wendig und fliegt höchstens 2000 Meter hoch, ohne vom Radar erfasst zu werden. An Bord ist der Stoff in aufeinandergestapelten Obstkisten und in den Zwischenräumen des Flugzeugrumpfes verteilt. Die Narcos brauchen Kontrollen nicht zu fürchten, die es ohnehin kaum gibt. Als tüchtige Unternehmer versuchen sie vielmehr, jede Fracht zu optimieren. Die Ware wird ausgeladen und aufs Festland gebracht, von wo aus sie über drei große Routen nach Europa gelangt: auf dem Landweg über Mauretanien und Marokko die Atlantikküste entlang oder durch die Sahara und weiter über die Türkei auf den Balkan; auf dem klassischen, am häufigsten benutzten Seeweg an Bord der Containerschiffe der großen Handelsflotten; und schließlich auf dem Luftweg, insbesondere über Kuriere oder Mulis, die Drogenkapseln schlucken.
    »Mulis?«, hatte Mamadu Johnny gefragt.
    »Mulis, Mamadu. Du fährst ein paar Tage nach Lissabon und kommst dann wieder. Gefällt dir das nicht?«
    Der Mann, erzählt Mamadu, ist ein muskulöser Nigerianer, der seit fünfundzwanzig Jahren zwischen dem nigerianischen Abuja und Bissau hin- und herpendelt. Er nennt sich Johnny und ist ein alter Bekannter seines Vaters. Er sagt, er könne ihm helfen. Mamadus Eltern sind in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Wenn man schon hungern muss, dann wenigstens im Kreis der eigenen Familie, dort, wo man geboren ist. Johnny steht in seinem gefälschten Alexander-McQueen-Anzug vor ihm, und während des Gesprächs berührt er Mamadu immer wieder: an Schultern, Armen, Brust. Er ist Verkäufer und er weiß: Um seine Ware an den Mann zu bringen, reicht es nicht aus, überzeugend zu sein, man muss auch einen Kontakt herstellen. Mamadu ist hypnotisiert.
    »Lissabon?«
    »Lissabon, Mamadu. Der Flug dauert ein paar Stunden, dann schaust du dir die Altstadt an, schleppst eine Touristin ab und nimmst den Rückflug.«
    Drogen nach Europa zu bringen ist einfacher, als man meint. Es genügen ein Linienflug, ein Passagier und eine unbestimmte Menge Kokain in sicher abgepackten Kapseln. Klar, es ist schon vorgekommen, dass während des Flugs eine Kapsel aufgeht und dass der Muli stundenlange entsetzliche Qualen leidet, bevor er in Lissabon als Toter landet. Doch die meisten Transporte verlaufen gut, auch weil die modernen Kapseln gegen die
    Magensäfte resistent sind, so dass man sie nach dem Ausscheiden mit dem Messer aufschneiden muss. Früher verwendete man Kondome, doch das ist Geschichte.
    »Muss ich fliegen?«
    »Wie willst du denn sonst nach Europa kommen, Mamadu? Etwa schwimmend?«
    Für die Drogenhändler ist die Lösung des Transportproblems die größte unternehmerische Herausforderung. Um das Kokain an die afrikanische Westküste zu bringen, haben sie etliche Millionen Dollar in den Highway 10 investiert, der so heißt, weil die Seeroute genau entlang des zehnten Breitengrads verläuft. Auf dieser Strecke herrscht immer dichter Verkehr. Dennoch enthüllen spektakuläre Beschlagnahmungen nur die Spitze des Eisbergs. Wie im Fall der South Sea, einem von der spanischen Marine abgefangenen Frachter mit 7,5 Tonnen Kokain an Bord. Oder der Master Endeavour, einem großen Frachtschiff, das die französische Marine mit 1,8 Tonnen Kokain an Bord aufbrachte. Die Drogenhändler hatten einen Trinkwassertank im hinteren Teil des Schiffs

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