ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
über ihr sein Geschäft erledigt hat. Doch eines Tages lernt sie Carlos kennen. Noch ein Mann, einer von vielen, und Griselda lässt ihm die übliche Behandlung angedeihen: Gleichgültigkeit. Carlos ist ein Kleinkrimineller aus Medellin, ein gewiefter Taschendieb und Einbrecher aus dem Dunstkreis von Alberto Bravo, einem Narco. Carlos macht Griselda den Hof. Er bringt ihr jeden Tag eine andere Blume, die sie mit gespielter Freundlichkeit annimmt und dann wegwirft. Sie sieht ihm nie in die Augen, aber er lässt sich nicht abwimmeln und klappert sämtliche Blumenläden von Medellin ab, um immer neue Sorten aufzutreiben. Er bringt ihr ein paar Tricks bei, um über die Runden zu kommen. Sie tut so, als würde sie ihm nicht zuhören, merkt sich aber alles genau. Das Geplänkel zieht sich lange hin, bis Carlos mit seiner dickköpfigen Beharrlichkeit siegt und Griselda kapituliert. Zum ersten Mal in ihrem Leben zeigt ihr ein Mann, dass eine Beziehung nicht zwangsläufig befristet ist, und bringt ihr ein Wort bei, das sie zuvor noch nie gehört hat: Vertrauen. Sie lieben sich, heiraten und schmieden große Pläne. Er stellt ihr Alberto Bravo vor und gibt ihr zu verstehen, dass man nur im Drogenhandel das große Geld machen kann. Sie ist jung, aber aufgeweckt, und zögert nicht lange, in diese Welt einzutauchen. Außerdem hat sie ihren Carlos, der immer ja sagt, wenn sie ihn fragt, ob sie ein Leben lang zusammenbleiben werden. Sie ziehen nach New York, nach Queens, wo die Kolumbianer allmählich Wurzeln schlagen und der Drogenmarkt floriert. Ein neues Leben. Die Stadt, die niemals schläft, nimmt Griselda und Carlos wie ein königliches Paar auf. Die Geschäfte laufen glänzend, und Carlos antwortet auf Griseldas Frage »Bleiben wir ein Leben lang zusammen?« immer noch mit Ja. Ja. Ja. Doch dann hat das Leben plötzlich einen anderen Plan. Carlos erkrankt an Leberzirrhose und haucht im Krankenhaus sein Leben aus. Griselda bleibt bis zuletzt an seiner Seite, und als er stirbt, empfindet sie nichts, so wie sie nichts empfand, wenn sie nach einer langen Nacht von der Arbeit nach Hause kam und vor dem Spiegel die neuen Bisse und die neuen Narben zählte. Carlos hat sich nicht an ihren Pakt gehalten, ein Leben lang zusammenzubleiben; Carlos ist genau wie alle anderen Männer; die Männer sind nur Mittel zum Zweck. Diese Schlussfolgerung verankert sich erneut in Griseldas Weltbild, und von dem Augenblick an kann niemand mehr sie aufhalten.
Sie heiratet Alberto Bravo, doch als er geschäftlich nach Kolumbien fährt und eine Weile nichts von sich hören lässt, reist sie ihm wütend nach und bringt ihn bei einem Schusswechsel um. 1971 hat Griselda ihr eigenes Drogenhandelsnetz in den USA. Die Route, die von Kolumbien über Miami nach New York reicht, ist die Zukunft, das weiß sie. In Medellin unterhält sie einen Laden, wo sie selbst entworfene Unterwäsche verkauft. Sie stattet auch ihre weiblichen Mulis damit aus, die auf den Flügen in die USA jedes Mal zwei Kilo Kokain unter ihren Kleidern schmuggeln. In den Ermittlungsakten der US-Drogenpolizei DEA taucht Griseldas Name erstmals 1973 auf. Sie wird dort als »eine neue Gefahr für die Vereinigten Staaten« beschrieben. Das Geschäft läuft gut, sie ist inzwischen einer der wichtigsten kolumbianischen Akteure im Drogengeschäft. Frau zu sein ist in der ausschließlich von Männern dominierten Welt der Drogenschmuggler ein nicht unerhebliches Handicap, aber Griselda zeigt ihren kolumbianischen
Kollegen, dass sie den Job nicht nur beherrscht, sondern zu extremer Gewalt fähig ist, mit der sie Angst und Schrecken verbreitet. Der Ruf als bösartige und skrupellose Frau eilt ihr überall voraus.
1975 wird sie in New York des Drogenhandels in großem Stil beschuldigt, aber sie kann sich rechtzeitig nach Kolumbien absetzen. Da hat sie bereits ein Vermögen von 500 Millionen Dollar angehäuft. Als sich ein paar Jahre später die Wogen geglättet haben, kehrt sie in die USA zurück, diesmal nach Florida.
Sie gründet die Pistoleros, ihre Killertruppe. Einer von ihnen ist Paco Sepulveda, der seinen Opfern die Kehle durchschneidet und sie dann kopfüber aufhängt. »Dann sind die Körper nicht so schwer, und man kann sie leichter transportieren.«
Immer neue Legenden ranken sich um Griselda: sie sei hypochondrisch, drogensüchtig, bisexuell und paranoid, sie feiere Orgien und liebe den Luxus. Neben den Gerüchten, die sie zum Mythos machen, sammelt Griselda auch Spitznamen: Madrina
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