ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Jorge »Riverito« Ayala, so lange unter Druck, bis er sich 1993 zur Zusammenarbeit bereit erklärt. Dadurch kommt genügend Beweismaterial zusammen, um sie des mehrfachen Mordes anzuklagen. Es ist unglaublich, wie das Schicksal Griselda immer wieder zu Hilfe kommt. Gerade als die Staatsanwaltschaft Miami-Dade sie 1998 in die Zange nehmen will, wird die Justizbehörde von einem Skandal überrollt: Der Mann, der alles über Griselda ausgeplaudert hatte, steht im Zeugenschutzprogramm, aber er hält es nicht mehr aus. Früher schwelgte er in Luxus und Drogen, jetzt muss er sich einer strengen Disziplin unterwerfen. Und er findet einen Weg, den Sekretärinnen der Staatsanwaltschaft ziemlich viel Geld zukommen zu lassen. Er will keine Informationen, kein Kokain und auch keinen Fluchtplan. Er will Sex. Nur Telefonsex zwar, aber das ist besser als nichts. Das Seufzen und Stöhnen hält eine Weile an, bis die geheime Hotline enttarnt wird und die Staatsanwaltschaft ihre Glaubwürdigkeit verliert. Der Skandal rettet Griselda, die auf diese Weise dem elektrischen Stuhl entkommt. Sie wird am 6. Juni 2004 nach fast zwanzig Jahren Haft entlassen und nach Kolumbien abgeschoben.
3. September 2012. Die inzwischen neunundsechzigjährige Griselda verlässt in Medellin zusammen mit einer Freundin einen Fleischerladen. Zwei Männer auf einem Motorrad kommen heran und strecken sie mit zwei Kopfschüssen nieder. Die Madrina stirbt ein paar Stunden später im Krankenhaus: durch Mord vom Motorrad aus, eine Technik, die sie selbst, so wird kolportiert, in Miami eingeführt hat.
Oder die Geschichte einer anderen Frau, einer Mexikanerin: Sandra Avila Beltran, die Kokainkönigin. Ein Satz ging mir nicht mehr aus dem Kopf: »Die Welt ist scheiße.« Sandra konnte diesen Spruch nicht ausstehen. Wenn einer der Männer ihres Onkels, der kein Geringerer war als El Padrino Miguel Angel Felix Gallardo, diesen Satz aussprach, schoss Sandra das Blut in den Kopf, und ihre Schläfen pochten. Sie war in eine Familie von Narcos hineingeboren, im Dunstkreis des größten aller Drogenbosse aufgewachsen und hatte von klein auf eine Machokultur kennengelernt. Wie konnte sie dulden, dass dieselben Männer, die vor ihrem Onkel mit weiblichen Eroberungen und barbarischen Hinrichtungen ihrer Feinde prahlten, untereinander sagten: »Die Welt ist scheiße«? Angeber vor dem Boss, Feiglinge hinter seinem Rücken. Und wenn die kleine Sandra das mitbekam, war es nicht weiter schlimm, denn sie war ja nur ein Mädchen.
In der Erziehung gilt oft das Sprichwort: Steter Tropfen höhlt den Stein. Geduldig und hartnäckig gräbt sich der Satz der Handlanger ihres Onkels tief in Sandras Bewusstsein ein. Irgendwann kann sie ihn nicht mehr einfach mit ihrer Wut abtun. Sie muss andere Antworten finden, einen Lebensstil, der jenem vernichtenden Urteil etwas entgegensetzt. Sandra teilt die Menschen in zwei Kategorien ein: auf der einen Seite solche wie die Männer ihres Onkels, auf der anderen jene, die die Welt verändern und auf der Siegerseite stehen wollen. Sie kann eine Herkunft und einen Stammbaum vorweisen, von dem die meisten Drogenhändler nur träumen können. Aber sie ist eine Frau, sie trägt in ihrem Körper den unauslöschlichen Makel der Unfähigkeit, das Kommando zu führen: Brüste, breite Hüften, einen runden Po. Das lässt sich nicht wegretuschieren oder verleugnen. Also müssen Brüste, breite Hüften und runder Po zu
Waffen werden, die geschärft und eingesetzt sein wollen. Fingernägel, Schuhe, Haare, Parfüm, Kleidung. Sandra ist alles recht, um ihre Weiblichkeit, ihre Sinnlichkeit und ihre Macht zu unterstreichen. Denn je mehr sie Frau ist, desto mehr wird man ihr Gehör schenken müssen. Sie wird sich derselben Logik bedienen, mit der sie unterjocht wurde, und allen Frauen zeigen, dass man sich auch anders in der Welt behaupten kann.
Die Männer sind Spielfiguren, die nach ihrer Nützlichkeit zu bewerten sind. Sandra knüpft Liebesbeziehungen zu zwei Chefs der Bundesgerichtspolizei, die schon immer Kader für die Nar-cos stellte. Sie verführt wichtige Bosse des Sinaloa-Kartells wie »El Mayo« Zambada und Ignacio »Nacho« Coronel. Schließlich holt sie zum großen Schlag aus: Sie verlobt sich mit Juan Diego Espinoza Ramirez, genannt »El Tigre«, einem kolumbianischen Narco vom Kartell Norte del Valle und Neffen des berühmten Diego Montoya, »Don Diego«. Sandra ist eine Prinzessin, die genau aufpasst, an wen sie sich bindet, um ihre Macht und ihre
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