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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Körper, verlierst du deine Seele. Verlierst du deine Seele, verlierst du die Macht. Verlierst du die Macht, hast du alles verloren«, schwört sie ihre neuen Anhängerinnen ein und geht ihnen mit gutem Beispiel voran. Sie scheint auch die Gefängnisdirektorin angesteckt zu haben. Eines Tages werden Ärzte erwischt, die Botox ins Gefängnis geschmuggelt haben. Die Wachleute glauben, es sei für die schönheitsbesessene Gefangene La Reina und ihre neuen Freundinnen bestimmt. Falsch. Das Botox ist für die Anstaltsleiterin. La Reina hat auch sie davon überzeugt, dass eine sinnliche Ausstrahlung wichtiger ist als alles andere. Sie spaziert durch die Gänge wie eine Diva, eine große Sonnenbrille auf der Nase, und sie beklagt sich nie. Nie verliert sie die Nerven, nie lässt sie sich zu Tränen hinreißen, nie protestiert sie, es sei denn wegen der Pampe, die die Gefängniswärter ihr als Essen vorsetzen. La Reina belächelt ihr Schicksal, und flammende Blicke hat sie nur für Frauen übrig, die es wagen, sich bei ihr über die Ungerechtigkeit der Welt zu beklagen. »Wenn dir die Welt nicht gefällt, dann ändere sie doch!«
    10. August 2012. Sandra Avila Beltran wird in die Vereinigten Staaten ausgeliefert, wo sie wegen Drogenhandels vor Gericht gestellt wird.
    Dann ist da noch die Geschichte eines ganz besonderen Rezepts.
    »El Teo brachte mir die Leichen. Ich hatte schon alles vorbereitet: ein paar Bottiche, Wasser, 50 Kilo Ätznatron. Dazu Latexhandschuhe und eine Gasmaske. Ich bereitete die Bottiche mit zweihundert Litern Wasser und zwei Säcken Ätznatron vor und stellte sie aufs Feuer. Wenn die Mischung anfing zu kochen, zog ich den Leichen die Kleider aus und warf
    sie hinein. Die Kochzeit beträgt vierzehn bis fünfzehn Stunden. Manchmal bleiben am Ende nur die Zähne übrig, aber die kann man leicht entsorgen.«
    Der Schöpfer dieses Rezepts ist Santiago Meza Lopez, nicht umsonst »El Pozolero« genannt: nach pozole, einem typisch mexikanischen Fleischeintopf. El Pozolero zählte seit geraumer Zeit auf der Fahndungsliste des FBI zu den zwanzig meistge-suchten Verbrechern und wurde im Januar 2009 verhaftet. Er gestand, dreihundert Leichen von Angehörigen einer rivalisierenden Gang auf diese Weise aufgelöst zu haben. Das Tijuana-Kartell zahlte ihm dafür 600 Dollar wöchentlich. Die Leichen und das Geld übergab ihm Teodoro Garda Simental, »El Teo«, der Chef einer blutrünstigen Bande, die mit dem Tijuana-Kar-tell verbunden war.
    »Aber nie eine Frau. Nur Männer«, stellte El Pozolero am Ende des Verhörs klar.
    Geschichten über Geschichten, von denen ich nicht loskomme. Geschichten von Menschen, Schlächtern wie Opfern. Geschichten von Journalisten, die selbst welche erzählen möchten und dabei manchmal auf der Strecke bleiben. Wie Bladimir Antuna Garda, der zum Schatten seiner selbst wurde, abgezehrt, an Schläfen und Bart früh ergraut. Er nahm zu und wieder ab, sein Körper machte schlapp: zwei dünne Stelzen unter einem vorstehenden Bauch. Er war der Prototyp eines Süchtigen. Eine Folge seiner Arbeit, denn Bladimir konnte erzählen, und er konnte recherchieren: keine leichte Aufgabe an einem Ort wie Durango. Er war durch die übelsten Kanäle gekrochen, die die schmutzigsten Geschichten aufnehmen, Geschichten von Kloaken und Macht. Aber manchmal nagen solche Geschichten an einem, man bekommt es hautnah mit dem Dreck zu tun, und wenn man auf den Dreck keine Antwort hat, strauchelt man und sucht anderswo einen Sinn. Whisky und Koks schienen die Lösung. Doch Bladimir hatte den Entschluss gefasst, all dies hinter sich zu lassen, um erneut als einer der tüchtigsten Journalisten von Durango zu gelten. Er war wieder clean und hatte sich einen Job als Hilfskellner in einer Kneipe in der Innenstadt besorgt. Dort war er Mädchen für alles. Niedere Arbeiten, aber nicht für Bladimir, der dank seiner Geschichten wusste, wie antastbar die menschliche Würde ist. Gleichzeitig versuchte er, erneut im Journalismus Fuß zu fassen, doch die Zeitungen wollten nichts mehr von ihm wissen. Er war zu unberechenbar, hatte einen zu schlechten Ruf. Gewiss, er war ein talentierter Journalist gewesen, aber was, wenn man ihn noch mal mit dem Kopf auf dem Tisch und der Nase in eine Linie Koks vorfand? Für jemanden, der dich auch nur einmal so gesehen hat, bleibst du immer ein Süchtiger und ein Säufer. Doch es gab in Durango eine neue Zeitung, El Tiempo, herausgegeben von Victor Garza Ayala, die damals schwierige Zeiten

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