ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
durchmachte. Vielleicht konnte die bei den Lesern so beliebte Verbrechenschronik die Dinge zum Besseren wenden. So beschloss Garza, Bladimir als Kriminalreporter einzustellen, verbannte die Rubrik jedoch auf die letzte Seite, um die Titelseite mit der politischen Berichterstattung, die ihm so am Herzen lag, davon freizuhalten. So läuft es auf der ganzen Welt. Wenn ein Richter stirbt oder eine Autobombe explodiert, erobert das Verbrechen die wichtigsten Zeitungsseiten, ansonsten führt es in der Presseberichterstattung ein Schattendasein. Bladimir war das egal, Hauptsache, er konnte überhaupt wieder schreiben, über die Kartelle und über die Zetas. Dabei wollte er, zumindest anfangs, nicht allzu viel Aufsehen erregen. Doch irgendwann fingen die Kioskbetreiber an, die Zeitung
andersherum auszulegen, mit der letzten Seite nach oben. Der Verkauf stieg rasant an.
Bladimir war unermüdlich, er produzierte Dutzende von Verbrechensmeldungen, manche davon exklusiv, da er bei Armee und Polizei hervorragende Informanten hatte. Um seinem ältesten Sohn das Studium zu bezahlen, nahm er einen zweiten Job bei einer anderen Zeitung an, La Voz de Durango.
Der erste Drohanruf erreicht ihn mitten in der Nacht auf seinem Mobiltelefon. Eine tiefe, aber klare Stimme sagt nur zwei Worte: »Hör auf.« Seine Frau tut so, als würde sie schlafen, hat aber alles gehört und verkrallt sich ins Kissen. In den folgenden Monaten häufen sich die Anrufe, immer auf dem Mobiltelefon und immer nachts, mit einem einzigen, deutlichen Satz: »Hör auf.« Manchmal geben sich die Anrufer als Mitglieder der Zetas aus. In der Redaktion treffen Postkarten mit tropischen Stränden und schönen Frauen ein, auf deren Rückseite in Kinderschrift die übliche Aufforderung steht:
»Hör auf.«
»Das sind nur Worte.« So tat Bladimir diese Einschüchterungen ab. Für ihn waren es tatsächlich nur Worte. Er begann, noch härter zu arbeiten, prangerte in seinen Artikeln die korrupten Polizeibeamten des Bundesstaates Durango an und beschwerte sich in den Medien und bei der Generalstaatsanwaltschaft lautstark über die Drohungen gegen ihn. Das organisierte Verbrechen in Mexiko bloßzustellen und die Komplizen bekannter Narcos beim Namen zu nennen war sein Credo geworden. Im Juli 2009 fand er die Kraft und erzählte in mehreren Interviews im Magazin Buzos aus Mexico City von den nächtlichen Anrufen. Er berichtete auch von dem fehlgeschlagenen Attentat gegen ihn am 28. April 2009, als ein Mann am helllichten Tag mitten auf der Straße auf ihn schoss, ihn aber
verfehlte. Aber wenn man von Drohungen spricht, sind die anderen stets bereit zu sagen, man sei paranoid, man übertreibe. Bladimir erstattete Anzeige bei den Behörden, aber es wurde nichts unternommen. Er recherchierte zusammen mit Eliseo Barron Hernandez über einige Polizeibeamte, die im Sold der Kartelle standen.
Mit Eliseo machten sie es wie üblich. Sie passten ihn vor seinem Haus ab, traktierten ihn vor den Augen seiner Frau und seiner Töchter mit Fußtritten und Faustschlägen, um ihn zu demütigen, nahmen ihn mit und erledigten ihn mit einem Kopfschuss. Sein Fehler war es gewesen, die Nase in eine Geschichte korrupter Polizisten zu stecken. »Wir sind hier, Journalisten. Fragt Eliseo Barron. El Chapo und das Kartell kennen kein Pardon. Passt bloß auf, Soldaten und Journalisten.« Das waren die Worte von El Chapo Guzman, die am Tag von Eliseos Begräbnis auf Spruchbändern längs der Straßen von Turreon auftauchten. Ein eindeutiges Bekenntnis, wie bei Terroristen. Eine klare Botschaft. Eine weitere Botschaft erreichte wenige Stunden später Bladimirs Redaktion: »Er ist als Nächster dran, der Hurensohn.«
Bladimir ging kaum noch aus dem Haus. Er arbeitete zurückgezogen. Manche seiner Kollegen sagen, er habe sich damit abgefunden, ermordet zu werden. Von der Regierung kam keinerlei Hilfe. Es gab keine Ermittlungen zu den Drohungen gegen ihn, er wurde nicht geschützt. Seine größte Angst war es nicht, ermordet zu werden. So geht es allen. Aber das ist nicht verrückt, dahinter steckt kein geheimer Suizidwunsch. Den Tod sucht man nicht, da wäre man ja verrückt, aber man weiß, dass er lauert.
Am 2. November 2009 ging alles sehr schnell. Entführt. Gefoltert. Ermordet.
Die Empörung seiner Kollegen über die Untätigkeit der Ordnungskräfte half nichts. Zu ihrer Rechtfertigung stellte die Polizei ihn als paranoid dar: die übliche Methode der Verleumdung. Es gab keine Ermittlungen, keine
Weitere Kostenlose Bücher