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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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medizinische Kontrolle zu. Dann legalisieren wir doch auch den Mord!, entgegnet eine kräftige Baritonstimme, die für einen Moment alle verstummen lässt. Doch die Stille hält nicht lange an, denn wie Stilettstiche kommen in dichter Folge die kreischenden Einwände derer, die behaupten, wer Drogen nimmt, schade sich schließlich nur selbst. Wenn man Kokain verbiete, müsse man auch den Tabak verbieten, und wenn man es legalisiere, werde der Staat zum Dealer, zum kriminellen Staat. Und was ist mit den Waffen? Sind die nicht schlimmer? Worauf wieder eine andere Stimme - eine ruhigere, aber mit einem besserwisserischen Unterton - feststellt, Waffen dienten der Verteidigung, Tabak könne man auch in Maßen konsumieren und ... Aber letztlich sei es ein ethisches Problem, und wer sind wir schon, um einer persönlichen Entscheidung mittels Regeln und Verordnungen die Zügel anzulegen?
    Dann reden alle durcheinander, ein Stimmengewirr, bis ganz am Ende Stille eintritt. Und ich muss wieder von vorn anfangen. Doch ich bin überzeugt, dass die Legalisierung tatsächlich die Lösung sein könnte. Weil sie nämlich dort greift, wo das Kokain auf fruchtbaren Boden fällt: im ökonomischen Gesetz von Angebot und Nachfrage. Versiegt die Nachfrage, geht alles, was ihr nachgeordnet ist, ein wie eine Blume, der man das Wasser entzieht. Ist das zu gewagt? Ist es eine Phantasie? Das Delirium eines Ungeheuers? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist es ein weiteres Stück des Abgrunds, an den sich nur wenige herantrauen.
    Für mich ist das Wort »Narcokapitalismus« ein Brocken, der immer größer wird. Ich kann ihn nicht runterschlucken und riskiere, daran zu ersticken. Alle Wörter, die ich kaue, bleiben an diesem Brocken haften, und er wächst wie ein Tumor. Ich möchte ihn hinunterschlucken und ihn den Magensäften überlassen. Ich möchte es auflösen, dieses Wort, und seinen Kern erfassen. Aber es geht nicht. Es ist auch zwecklos, weil mir klar ist, dass ich ein Stäubchen weißes Pulver finden würde. Ein Stäubchen Kokain. Wie viel Polizei und wie viele Beschlagnahmungen es auch immer geben mag, die Nachfrage nach Kokain wird immer gewaltig sein. Je schneller die Welt sich dreht, desto mehr Kokain gibt es. Je knapper die Zeit für stabile Beziehungen, für einen echten Austausch ist, desto mehr Kokain gibt es.
    Ich beruhige mich, ich muss mich beruhigen. Ich lege mich hin, schaue an die Decke. Viele Decken habe ich im Laufe dieser Jahre betrachtet. Solche, die man fast an der Nase hat und an die man anstößt, wenn man nur den Kopf hebt, und solche, die so weit weg sind, dass man die Augen zusammenkneifen muss, um zu erkennen, ob es sich um Fresken handelt oder nur um feuchte Flecken. Ich schaue an die Decke und stelle mir den Erdball vor. Die Welt ist ein runder
    Teigklumpen, der aufgeht. Er geht durch das Erdöl auf. Er geht durch Coltan auf. Er geht durch das Gas auf. Er geht durch das Web auf. Ohne diese Zutaten besteht die Gefahr, dass er in sich zusammenfällt. Aber es gibt ein Ferment, das schneller wirkt als alle anderen und äußerst begehrt ist: Kokain. Koka ist die Pflanze, die Südamerika mit Italien verbindet. Sie überspannt den Atlantik wie ein unendlich dehnbares Band. Ihre Wurzeln liegen auf dem einen, ihre Blätter auf dem anderen Kontinent. Kokain ist die Zutat, ohne die es keinen Teig gibt. Es ist so pudrig wie das Mehl, dessen höchster Feinheitsgrad in Italien und Südamerika mit drei Nullen gekennzeichnet wird: ZeroZeroZero. Nullen wie offene Wunden, durch die die Welt sichtbar wird. Nullen wie Abgründe, in die man stürzen kann. Nullen wie die Linsen des Fernglases, das die Fata Morgana des weißen Goldes so deutlich vor Augen führt. Kokain bester Qualität: 000.

Dank
    Ich danke Federica Campana, die meine Recherchen mit analytischem Blick und mit beherzter Zivilcourage begleitet hat.
    Ich danke Helena Janeczek für ihre Ratschläge zum literarischen Aufbau des Buches. Ich danke Carlo Buga, der kopfüber in dieses Dickicht von Geschichten eingetaucht ist und mir geholfen hat, aus Hunderten von Seiten das Wesentliche ans Licht zu bringen. Ich danke Gianluca Foglia, dem beinharten Lektor, der die Kunst beherrscht, die richtigen Fragen zu stellen.
    Ich danke Michael Krüger für seine Wertschätzung in all den Jahren. Ich danke Jo Lendle für seinen Entschluss, ZeroZeroZero in Deutschland zu veröffentlichen und auf mich zu setzen. Ich danke dem Lektor Piero Salabe und seiner Assistentin

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