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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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wurden. Dem Bericht zufolge verübte die Kaibiles-Einheit in diesem internen bewaffneten Konflikt einen Völkermord.
    Eines der abscheulichsten Massaker wurde im Dorf Las Dos Erres im Departement Peten verübt, das zwischen dem 6. und dem 8. Dezember 1982 dem Erdboden gleichgemacht wurde. Am 6. Dezember drangen vierzig Kaibiles in Las Dos Erres ein. Sie töteten Männer, Frauen und Kinder, vergewaltigten Mädchen, schlugen schwangere Frauen mit dem Gewehrkolben auf den Bauch und misshandelten sie mit Fußtritten, warfen kleine Kinder lebend in Brunnen oder töteten sie mit
    Knüppelschlägen. Einige wurden lebendig verscharrt. Die Kleinsten schleuderten sie gegen Mauern oder Bäume, die Leichen versenkten sie in Brunnen oder ließen sie einfach liegen. Die Rede ist von mehr als zweihundertfünfzig Toten, dokumentiert sind zweihundertundeiner, siebzig von ihnen waren nicht einmal sieben Jahre alt. Als die Soldaten das Dorf verließen, nahmen sie ein vierzehn- und ein sechzehnjähriges Mädchen mit, die sie verschont hatten, sie zogen ihnen Militäruniformen an und vergewaltigten sie mehrfach. Nach drei Tagen hatten sie genug von ihnen und erdrosselten sie.
    Es ist nicht schwer, einen Kaibil zu treffen, ihre Eitelkeit ist einfach zu groß. Seitdem ich von diesen Soldaten gehört hatte, ließen sie mir keine Ruhe mehr, und so fing ich an, mich zu erkundigen und herumzufragen, ob ich nicht einen Kaibil-Kämpfer kennenlernen könnte. Man nannte mir einen Mann, der bei einer Unternehmerfamilie in Mailand als Hausangestellter arbeitete. Er gab sich freundlich und verabredete sich mit mir irgendwo auf der Straße.
    Er sei ein ehemaliger Journalist, erzählt er mir, und trage in seiner Brieftasche die Fotokopien einiger seiner Artikel mit sich herum, die er ab und zu lese. Sie sind für ihn ein Zeugnis seines früheren Lebens. Er ist mit einem Kaibil bekannt. Über etwas anderes möchte er nicht sprechen.
    »Ich kenne ihn. Ein Kaibil wird immer ein Kaibil bleiben, und der da hat schlimme Dinge getan.«
    Konkreter will er sich nicht äußern.
    »Du wirst nicht glauben, was er dir erzählt, auch ich kann es nicht glauben, denn wenn das, was er sagt, stimmt, könnte ich nicht mehr schlafen ... «
    Dann zwinkert er mir zu. »Ich weiß, dass es stimmt, aber ich hoffe, nicht ganz.«
    Er gibt mir eine Telefonnummer. Ich verabschiede mich von dem Hausangestellten und ehemaligen Journalisten und wähle die Nummer. Am anderen Ende beteuert ein Mann mit eiskalter Stimme, wie sehr ihm mein Interesse schmeichle. Auch er verabredet sich im Freien mit mir. Angel Miguel ist klein, er hat die Augen eines Maya und ist elegant gekleidet wie für einen Fernsehauftritt. Ich habe nur einen Notizblock bei mir, und das scheint ihm nicht zu gefallen. Dennoch beschließt er zu bleiben. Die eiskalte Stimme am Telefon ist einer affektierten Sprechweise gewichen. Während unserer Unterhaltung senkt er nie den Blick und macht keine überflüssige Geste.
    »Ich freue mich, dass du maricon bist«, sagt er.
    »Ich bin nicht maricon.«
    »Unmöglich, ich habe den Beweis. Du bist maricon, brauchst dich aber nicht dafür zu schämen.«
    »Wenn ich schwul wäre, würde ich mich nicht dafür schämen, keine Sorge. Aber worüber reden wir eigentlich?«
    »Du bist maricon, du hast... die da gar nicht bemerkt.«
    Er dreht den Kopf etwas nach links, ohne den Blick von mir abzuwenden, und in diesem Moment, als folge sie einem archaischen Lockruf, tritt ein Mädchen einen Schritt nach vorn. Ich hatte sie tatsächlich nicht bemerkt. Ich hatte mich voll und ganz auf den Kaibil konzentriert.
    »Wenn dir die nicht auffällt, bist du maricon.«
    Superblond, in einem hautengen Kleid und auf schwindelerregend hohen Absätzen, aber ohne einen Hauch Make-up. Ihre hellgrünen Augen mit den goldenen Sprenkeln scheinen ihr wohl Schmuck genug. Sie ist seine Freundin und stellt sich vor:
    eine Italienerin, glücklich, einen Kriegshelden begleiten zu dürfen, für den sie ihn offenbar hält.
    »Du musst cuas werden. Wenn du kein cuas wirst, weißt du nicht, was Kriegsbruderschaft bedeutet.«
    Angel Miguel vergeudet offenbar nicht gern seine Zeit. Er hat beschlossen, dass ich schwul bin, und mir seine Freundin vorgestellt. Das reicht seiner Ansicht nach, jetzt kann er anfangen, seine Geschichte zu erzählen. Ich hatte irgendwo gelesen, dass in der guatemaltekischen Kekchi-Sprache cuas so viel wie »Bruder« bedeutet. Aber erst jetzt wird mir klar, dass es keine biologische

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