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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Solidarität. Alles folgt einem raffinierten Spiel aus Verweisen, Bedeutungen und Kürzeln. Das fängt schon bei cuas an: c = camaraderia, Kameradschaft; u = union, Eintracht; a = asistencia, Unterstützung; s = seguridad, Sicherheit. Um es in der Philosophie der Kaibiles auszudrücken: »Der
    Kaibil ist eine Tötungsmaschine für den Fall, dass eine fremde Streitmacht oder Doktrin das Vaterland oder das Militär bedrohen.« Der Kaibil darf sich um keinen Preis der Welt von seinem weinroten Barett trennen, das ihr Emblem zeigt. In der Sprache des Mam-Volkes bedeutet Kaibil: »der die Kraft und Schläue zweier Tiger hat«. Der Name geht zurück auf den großen Kaibil Balam, einen König des Mam-Volks, der sich im 16. Jahrhundert den spanischen Eroberern unter Führung von Gonzalo de Alvarado mutig entgegenstellte. Doch die Soldaten, die stolz den Namen des erbitterten Widerstands der Maya gegenüber den Konquistadoren tragen, sind zum Instrument der Vernichtung des eigenen Volkes geworden. Der Name des berühmten Vorbilds steht heute für unsäglichen Terror.
    »Am Ende der acht Wochen gibt es ein großes Essen. Riesige Feuerstellen, über denen Alligatoren-, Iguana- und Hirschfilets gegrillt werden, lodern die ganze Nacht. Es gibt auch den Brauch, den guatemaltekischen Verteidigungsminister zu entführen und in einen See mit Krokodilen zu werfen (obgleich die Krokodile kilometerweit entfernt sind. Die von der Regierung sind eben Hosenscheißer!). Nach diesem Abendessen darfst du das Emblem der Kaibiles tragen. Der Dolch hebt sich vor einem blau-schwarzen Hintergrund ab. Blau steht für den Tag: Der Kaibil ist auf dem Meer oder am Himmel im Einsatz. Schwarz steht für die geräuschlosen nächtlichen Operationen. Ein Seil trennt diagonal die beiden Farben: Es steht für die Landmissionen. Der Dolch wiederum verjüngt sich zu einer Flamme, das ewige Feuer der Freiheit.«
    In Angel Miguel kommt plötzlich Bewegung. Er hebt eine Hand und spreizt die Finger.
    »Riechen, hören, fühlen, sehen, schmecken.«
    Die fünf Sinne, die der vollendete Kaibil entwickeln und stets wach halten muss, um zu überleben. Und zu töten.
    »Eintracht und Stärke.«
    Ich betrachte Angel Miguel. Er ist kein Kaibil mehr, aber er hat immer noch diesen leeren Blick. Ein Kaibil ist nicht nur eine Tötungsmaschine. Es ist auch eine Form der Abwesenheit, die dir in ihm entgegentritt. Das ist das Erschreckendste. Angel Miguel ist zwar nur eins fünfundsechzig groß, aber jetzt mustert er mich von oben bis unten. Von Ausbildung und Brüderlichkeit zu sprechen hat seinen Stolz entflammt, und jetzt überragt er mich und seine Freundin. Ich habe eine Frage, und vielleicht ist jetzt, da er sich so unangreifbar fühlt, der richtige Moment, sie zu stellen.
    »Was weißt du über die Verbindungen zwischen den Kaibiles und dem Drogenhandel?«
    Amnesty International hatte schon 2003 in einem Bericht auf diese Verbindung aufmerksam gemacht und zig Fälle der Beteiligung von Militär und Polizei am Netzwerk des Drogenschmuggels, an illegalen Aktivitäten wie Autodiebstahl, Kinderhandel für illegale Adoptionen und »sozialen Säuberungen« dokumentiert. Im selben Jahr setzte Washington Guatemala auf die Liste der »nichtzertifizierten Länder«, da die guatemaltekische Regierung zwischen 2000 und 2002 nur noch ein Fünftel der drei Jahre zuvor beschlagnahmten Menge an Kokain sichergestellt hatte.
    Wenn Angel Miguel sich durch meine Frage getroffen fühlt, so zeigt er es nicht. Und auch seine Freundin zeigt keine Regung, sie verlagert nur ihr Gewicht von einem auf den anderen Absatz. Auch sie ist wohl durch ein Training gegangen, bevor sie sich mit ihm zusammengetan hat. Dann endlich macht Angel Miguel den Mund auf: »Eintracht und Stärke«, wiederholt
    er und verstummt. Das Mantra der Kaibiles genügt ihm, und ich frage mich, ob er in diesen Wörtern Zuflucht sucht, weil meine Frage vielleicht doch eine Bresche geschlagen hat. Ich hake nach.
    »Stimmt es, dass ehemalige Kämpfer in den mexikanischen Drogenkartellen Karriere gemacht haben?«
    Seit einigen Jahren beobachten die mexikanischen Behörden, dass immer mehr ehemalige Kaibiles und guatemaltekische Exmilitärs von lokalen kriminellen Organisationen angeworben werden. Für die Kartelle ist dies von enormem Vorteil, denn die jungen Leute sind bereits ausgebildet und kampferprobt, das spart Zeit und Geld. Ein ehemaliger Kaibil kann mit Waffen umgehen und ist es gewohnt, sich in den Bergen und Wäldern zu

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