ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Verwandtschaft bezeichnet. Cuas ist nicht der leibliche Bruder, cuas ist der Bruder, der dir zugewiesen wird.
»Einmal, während der Ausbildung, bat ich einige Kaibiles, mir etwas zu essen übrig zu lassen. Mein cuas wurde leichenblass. Die Kaibiles warfen ihr Essen auf den Boden und trampelten darauf herum. Dann fesselten sie uns und sagten: >Pickt, ihr Hühner.< Wenn wir die Zunge zu weit herausstreckten, gab es Fußtritte und Gebrüll: >Nicht grasen, picken, ihr Hühner!<
Wenn während der Ausbildung einer von zwei cuas einen Fehler macht, werden beide bestraft, macht einer etwas gut, kriegen beide eine üppige Mahlzeit und ein Bett. Die cuas sind fast wie Verlobte. Einmal lagen ich und mein cuas zusammen im Zelt, und in der Nacht hat mein hermano angefangen, meinen Schwanz anzufassen. Erst war ich angewidert, aber dann habe ich begriffen, dass wir alles teilen mussten ... die Einsamkeit und die Lust... aber wir haben ihn uns nicht... wir haben uns nur berührt ... «
Er redet, fast ohne Luft zu holen, als müsse er in möglichst kurzer Zeit einen auswendig gelernten Text abspulen. Seine Freundin nickt stolz. Die goldenen Sprenkel in ihren Augen funkeln noch mehr. Ich hätte ihn gern unterbrochen und ihm gesagt, dass er noch vor ein paar Minuten mich als maricon bezeichnet hatte, aber es war wohl besser, seinen Gedankenfluss nicht zu unterbrechen.
»Dort lernst du, was ein Kriegsbruder ist. Kriegsbrüder teilen sich eine Ration, sie kuscheln sich aneinander, wenn es kalt wird, und sie lassen sich blutig schlagen, um zu lernen, ihre Nervosität in Schach zu halten.«
Um aufzuhören, ein Mensch zu sein, mit all seinen Vorzügen und all seinen Fehlern und Mängeln. Um ein Kaibil zu werden. Um von Hass durchdrungen zu leben.
»Am Eingang des Ausbildungszentrums der Kaibiles in Poptun, Departement Peten, gibt es eine Inschrift: >Willkommen in der Hölle.< Aber nur wenige kennen die andere Inschrift. Sie lautet: >Wenn ich vorrücke, folge mir. Wenn ich stehen bleibe, dränge mich vorwärts. Wenn ich zurückweiche, töte mich.<«
Mein Informant hat nicht die Statur eines Rambo, trotzdem zählt er ohne zu stocken die ausländischen Ausbilder auf, die seit den achtziger Jahren am Training der jungen Kaibiles beteiligt waren: Green Berets, Ranger, die im Vietnamkrieg gekämpft hatten, peruanische und chilenische Kommandos. Während des Bürgerkriegs in Guatemala sollen Enthauptungen das Erkennungszeichen der Kaibiles gewesen sein, auch wenn andere sagen, das sei nur eine Legende, genauso wie ihre Kriegshymne: »Kaibil, Kaibil, Kaibil! Mata, mata, mata! Que mata Kaibil? Guerrillero subversivo! Que come Kaibil? Guer-rillero subversivo!«
»Die erste Phase der Ausbildung dauert einundzwanzig, die zweite achtundzwanzig Tage«, fährt Angel Miguel fort. »Im Dschungel. In Flüssen, Sümpfen und Minenfeldern. Das sind die Wohnungen des Kaibil. Und so wie du deine Wohnung liebst, so liebt der Kaibil seine. Dann kommt die letzte Woche. Die letzte Etappe, die dich zu einem echten Kaibil macht. Du lernst, dich von dem zu ernähren, was du findest. Kakerlaken, Schlangen. Du lernst, feindliches Terrain zu erobern, zu zerstören und in deine Gewalt zu bringen.
Am Ende des Trainings musst du zwei Tage schlaflos in einem Fluss ausharren, bis zum Hals im Wasser. Meinem cuas und mir haben sie einen Welpen mitgegeben, einen Mischling, er sah rührend aus. Wir sollten auf ihn aufpassen, er gehöre zu unserer Bruderschaft, sagten sie. Wir mussten ihn überallhin mitnehmen und ihn füttern. Wir hatten ihm einen Namen gegeben und ihn liebgewonnen, als unser Ausbilder uns befahl, ihn zu töten. Jeder einen Messerstich, in den Bauch. Wir waren am Ende der zweiten Phase angelangt und stellten uns nicht viele Fragen. Unser Ausbilder befahl uns, den Welpen zu essen und sein Blut zu trinken. Als Mutprobe. Wir führten auch diesen Befehl aus, es erschien uns ganz natürlich.
Ein Kaibil weiß, dass man nicht zu trinken, zu essen und zu schlafen braucht, um zu überleben. Man braucht Munition und ein gutes Gewehr. Wir waren Soldaten, wir waren vollendet. Wir kämpften nicht, weil man es uns befohlen hatte, das wäre nicht genug gewesen. Wir gehörten zu einer Gemeinschaft, und das ist stärker als jeder Befehl. Nur ein Drittel von uns hat es bis zum Ende geschafft. Die anderen sind entweder abgehauen oder wurden davongejagt. Andere wurden krank oder starben.«
Die Welt der Kaibiles ist vor allem eine symbolische Welt aus Angst, Terror und
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