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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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anderen, der besser aussieht und mehr dinero hat als du. Vielleicht führst du ein ganz passables Leben, was wenig wahrscheinlich ist. Oder ein kümmerliches Leben, wie alle. Wenn du im Gefängnis landest, werden die draußen dich beleidigen, weil sie sich für sauber halten. Aber du bist es, der das Sagen hatte. Sie werden dich hassen, aber du hast dir das Gute gekauft und alles, was du wolltest. Hinter dir steht die Organisation. Vielleicht musst du eine Zeitlang leiden, vielleicht wirst du sogar getötet. Aber die Organisation steht hinter dem, der am stärksten ist. Mit Regeln aus Fleisch und Blut und Geld könnt ihr Berge bezwingen. Wenn ihr schwach werdet, wenn ihr Fehler macht, dann seid ihr am Arsch, wenn ihr eure Sache gut macht, werdet ihr belohnt. Wenn ihr euch die falschen Partner sucht, seid ihr am Arsch. Wenn ihr euch auf den falschen Krieg einlasst, seid ihr am Arsch. Wenn ihr eure Macht nicht zu erhalten wisst, seid ihr am Arsch. Aber diese Kriege sind legitim, allowed. Es sind unsere Kriege. Ihr könnt gewinnen, und ihr könnt verlieren. Aber in einem Fall werdet ihr immer verlieren, auf die schmerzlichste Weise: wenn ihr zum Verräter werdet. Wer versucht, sich gegen die Organisation zu stellen, hat sein Leben verspielt. Dem
    Gesetz kann man sich entziehen, der Organisation nicht. Man kann sich sogar Gott entziehen, denn Gott wird den verlorenen Sohn immer mit offenen Armen empfangen. Dio u figghiu fujuto lo aspetta sempre. Aber der Organisation entkommt man nicht. Wenn du zum Verräter wirst und abhaust, wenn sie dich reinlegen und du abhaust, wenn du die Regeln nicht beachtest und abhaust, wird jemand für dich bezahlen müssen. They will look for you. They will go to your family, to your allies. Dann stehst du auf der Liste, und nichts kann deinen Namen tilgen. Nor time, nor money. Du und deine Nachkommen werden am Arsch sein, bis in alle Ewigkeit.«
    Der Polizist klappte sein Notizheft zu. »Der Mexikaner verließ die Versammlung wie in Trance«, sagte er. Und dann wiederholte er seine letzten Worte: »Ist es jetzt Verrat, wenn ich dich hören lasse, was er gesagt hat?«
    »Schreib darüber«, sagte der Polizist weiter. »Wir werden ihn im Auge behalten. Ich setze drei Leute auf ihn an und lasse ihn rund um die Uhr bewachen. Wenn sich jemand an ihn ranmacht, können wir sicher sein, dass er keinen Unsinn erzählt hat, dass diese Geschichte nicht erstunken und erlogen ist und dass ein echter Boss gesprochen hat.«
    Die Geschichte versetzte mich in Erstaunen. Da, wo ich herkomme, haben sie es immer so gemacht. Aber solche Sachen in New York zu hören, das war merkwürdig. Da, wo ich herkomme, tritt man nicht nur wegen des Geldes der Organisation bei, sondern um Teil eines großen Ganzen zu werden und wie auf einem Schachbrett zu agieren. Um genau zu wissen, welchen Bauern man wann bewegen muss. Um zu wissen, wann man im Schach steht. Oder wenn man als Läufer zusammen mit seinem Pferd den König drangekriegt hat.
    »Es ist zu riskant«, sagte ich.
    »Mach es«, beharrte er.
    »Ich glaube nicht«, antwortete ich.
    Ich wälzte mich im Bett und fand keinen Schlaf. Nicht die Geschichte an sich gab mir zu denken, die ganze Verkettung der Umstände machte mich ratlos. Man hatte mich kontaktiert, damit ich die Geschichte einer Geschichte einer Geschichte schrieb. Die Quelle - der alte italienische Boss - erschien mir instinktiv vertrauenswürdig. Nicht zuletzt deshalb, weil man fern von seinem Land jemanden, der die eigene Sprache spricht, mit denselben Codes, denselben Redewendungen, Vokabeln und Auslassungen, sofort als seinesgleichen erkennt: als jemanden, dem man Gehör schenken kann. Aber auch, weil diese Rede genau zum richtigen Zeitpunkt gehalten wurde, vor den richtigen Leuten. Wenn diese Sätze tatsächlich so gefallen waren, bezeugten sie die schlimmste aller möglichen Wendungen. Dann instruierten die italienischen Bosse, die letzten Calvinisten des Westens, jetzt erstmals die neue Generation von Mexikanern und Lateinamerikanern: das aus dem Drogenhandel hervorgegangene kriminelle Bürgertum, so grausam und gierig wie keine Generation zuvor. Eine neue Garde, entschlossen, die Märkte zu erobern, der Finanzwelt das Handeln zu diktieren und die Investitionen zu steuern. Um Geld zu raffen und Reichtümer anzuhäufen.
    Eine Beklemmung packte mich, mit der ich nicht umzugehen wusste. Ich hatte das Gefühl, auf einem harten Brett zu liegen, mein Zimmer ein enges Loch. Am liebsten hätte ich zum

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