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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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Telefon gegriffen und den Polizisten angerufen, aber es war zwei Uhr morgens, und ich fürchtete, er würde mich für verrückt erklären. Also setzte ich mich an den Schreibtisch und tippte eine E-Mail. Ich würde darüber schreiben, aber ich bräuchte tiefere Einblicke, ich müsste mir den Mitschnitt selbst anhören.
    Die Rede drehte sich darum, wie man in dieser Welt leben soll: Anweisungen nicht nur für einen Mafioso, sondern für jeden, der in dieser Welt etwas zu sagen haben will. Worte von einer Klarheit, die man nur wählt, wenn man andere instruieren will. In der Öffentlichkeit wird stets beteuert, Soldaten wollen den Frieden und hassen den Krieg, aber hinter verschlossenen Türen lehrt man sie zu schießen. Die Rede des Bosses zielte darauf ab, den lateinamerikanischen Organisationen die Gepflogenheiten der italienischen Organisationen zu übermitteln. Der Chicano hatte nichts erfunden.
    Dann bekam ich eine SMS. Der Informant war mit dem Auto gegen einen Baum gerast. Es sei kein Racheakt gewesen. Ein großer italienischer Schlitten, mit dem er nicht zurechtkam.
    Ein Baum. Und Ende.
2 Big Bang
    Don Arturo ist ein betagter Herr mit einem ausgezeichneten Gedächtnis. Und er teilt seine Erinnerungen mit jedem, der bereit ist, ihm zuzuhören. Eines Tages, so erzählt Arturo, erschien ein General auf einem Pferd, das allen sehr groß vorkam, in Wirklichkeit aber schlicht gesund war in einem Landstrich der mageren Pferde mit arthritischen Läufen. Er stieg ab und ließ alle gomeros, die Opiumbauern, zusammenrufen. Der Befehl war kategorisch: Die sofortige Inbrandsetzung der Schlafmohnfelder. So tritt der Staat auf, mit kategorischen Befehlen. Fügten sie sich nicht, würde man sie ins Gefängnis werfen. Für zehn Jahre. Die gomeros zogen das Gefängnis vor. Zum Getreideanbau zurückzukehren war schlimmer als jede Haftstrafe. Doch in diesen zehn Jahren würden ihre Kinder keinen Schlafmohn anbauen können, ihre Felder würden beschlagnahmt werden oder bestenfalls verdorren. Die gomeros senkten nur stumm den Blick. Ihr Land und die Mohnpflanzen, alles würde in Flammen aufgehen. Die Soldaten kamen und gossen Dieselöl auf die Felder und die Mohnblumen, auf die Saumpfade und die Wege zwischen den Latifundien. Arturo erzählte, wie sich die roten Mohnfelder von der zähen Flüssigkeit schwarz färbten. Eimerweise Dieselöl, das die Luft mit einem widerlichen Geruch erfüllte. Damals machte man alles noch von Hand, die großen Pumpen gab es noch nicht. Eimer voll stinkendem Dieselöl. Aber nicht deshalb erinnert sich Arturo noch so genau. Er erinnert sich, weil er damals gelernt hat, was Mut bedeutet und dass Feigheit dem Menschen eigen ist. Die Felder fingen an zu brennen. Es war kein loderndes Feuer, vielmehr wurde ein Streifen Land nach dem anderen von den Flammen verschlungen. Blüten, Stängel und Wurzeln fingen an zu brennen. Die Bauern standen da und schauten zu, ebenso die Gendarmen und der Bürgermeister, die Frauen und die Kinder. Ein schmerzliches Schauspiel. Doch auf einmal kamen zwischen den brennenden Sträuchern brüllende Feuerbälle hervor. Sie sahen aus wie lebendige Flammen, die hüpften und röchelten. Aber es waren keine Flammen, die plötzlich lebendig geworden waren. Es waren Tiere, die sich zwischen den Mohnpflanzen in ihren Höhlen versteckt gehalten und das Klappern der Eimer und den fremdartigen Dieselgestank nicht zu deuten gewusst hatten. Kaninchen, streunende Hunde und sogar ein kleiner Maulesel. Sie waren von den Flammen erfasst worden, und es war nichts mehr zu machen. Einen von Diesel auf der Haut entfachten Brand kann kein Wasser löschen, und ringsum brannten lichterloh die Felder. Die Tiere brüllten und verendeten vor aller Augen, aber das war nicht das einzige Drama. Auch einige gomeros waren ins Feuer geraten. Während die einen die Felder mit Diesel übergossen, hatten andere cerveza getrunken und waren dann zwischen den Pflanzen eingeschlafen. Sie brüllten nicht so laut wie die Tiere, und sie torkelten, als nährte der Alkohol in ihrem Blut die Flammen zusätzlich. Niemand eilte ihnen zu Hilfe, niemand brachte eine Decke. Die Flammen loderten bereits zu hoch.
    In diesem Augenblick begann Don Arturo etwas zu begreifen. Er erzählt von einer mageren Hündin, die auf das Feuer zurannte. Sie stürzte sich mitten hinein in dieses Inferno und kam nacheinander mit zwei, drei, sechs Welpen wieder heraus, die
    sie in Erde wälzte, um die Flammen zu ersticken. Das Fell der Welpen war

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