ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
heranzutreten und ihm einen solchen Deal vorzuschlagen ist im Grunde ein Wagnis, das sie nicht eingehen können. Sie selbst wären die Ersten, die eine Falle vermuten würden. Der Kontaktmann käme womöglich nie mehr zurück. Die DEA braucht einen versierteren Mittelsmann.
Baruch Vega ist ein kolumbianischer Modefotograf und lebt in Miami. Er hat für die großen Modehäuser Armani, Gucci, Valentino, Chanel und Hermes und für Kosmetikfirmen gearbeitet. Das zweite von elf Kindern eines Trompeters aus Bogota, der mit seiner Familie in Bucaramanga auf einer
Hochebene im Nordosten Kolumbiens aufwuchs, gewann fünfzehnjährig einen von Kodak veranstalteten Wettbewerb mit dem Foto eines Vogels, der mit einem Fisch im Schnabel aus einem See aufsteigt. Doch die Eltern zwingen ihn zu einem Ingenieurstudium. An der Universität Santander wird er für die CIA rekrutiert und nach Chile geschickt: Die Regierung Salvador Allendes muss gestürzt werden.
Baruch Vega hasst diese Tätigkeit. Um sich ihr zu entziehen, fängt er wieder an zu fotografieren. In den siebziger Jahren ist er in New York, er arbeitet mit Topmodels wie Lauren Hutton und Christie Brinkley und erlangt das, was in seinem Land am meisten zählt: Erfolg, Geld und Frauen. Dass er all dies in den Vereinigten Staaten erreicht hat, steigert sein Ansehen in der Heimat nur noch mehr. In Kolumbien tritt er stets mit einer Entourage von Covergirls auf, seinem Markenzeichen. Und im Laufe seiner Doppeltätigkeit als Fotograf und Undercoveragent lernt Baruch Vega viele wichtige Bosse der kolumbianischen Kartelle kennen. Außerdem ist er zu Gast bei Narcos vom Kaliber der Brüder Ochoa, mit denen Escobar im Medellm-Kartell eng zusammenarbeitete.
Sein erstes Treffen mit Julio Fierro findet in einem Hotel in Cartagena statt, nicht zufällig während der Wahlen der Miss Colombia. Vega spielt seine Rolle. Er sagt, er kenne DEA-Agen-ten, mit denen man einen Deal abschließen könne. Man müsse nur bezahlen: für das Entgegenkommen der Gringos und dazu noch eine Provision für die Vermittlung.
Was nichts kostet, ist für einen Narco nicht glaubwürdig. Je höher der Preis, desto vertrauenswürdiger ist der Deal. Und Baruch Vega ist die optimale Garantie am Verhandlungstisch. Was will ein Mann, der sein Geld mit einem Job macht, um den ihn alle beneiden? Noch mehr Geld. Ein Mann, der sein Leben
aufs Spiel setzt, um noch mehr Geld zu haben, verdient Respekt. Respekt und Vertrauen. Zum Beweis seiner Vertrauenswürdigkeit organisiert Vega Reisen nach Miami mit seinem »Privatflugzeug«, das, wie sich herausstellt, von der DEA bezahlt wird. Ein Agent der Drogenbekämpfungsbehörde an Bord gewährleistet, dass am Flughafen weitere eingeweihte Polizisten bereitstehen, um die Narcos, nicht wenige von ihnen auf der Fahndungsliste des FBI, ohne Visum durch die Kontrollen zu schleusen. Zum Programm gehören der Besuch eines angesagten Restaurants zusammen mit den Frauen der Narcos und eine Shoppingtour, bevor es nach Hause zurückgeht. Beim nächsten Mal soll der Abschied von Kolumbien und vom Drogenhandel endgültig sein.
Dank Natalias Ehemann gelang Vega und seinen Mitstreitern von der DEA ein qualitativer Sprung. In Panama organisieren sie das erste von zahlreichen weiteren Treffen zwischen Narcos und DEA-Agenten. Eine Art Gipfeltreffen, eine Convention. So nennen sie es tatsächlich. Julio Fierro kommt zusammen mit Baruch Vega und den DEA-Agenten aus Florida. Der Fotograf hat alles bis ins Letzte geplant. In seinem Flugzeug sitzen die üblichen Schönen, die Suiten im Intercontinental sind reserviert, und er hat sogar dafür gesorgt, dass der schwierige Tag in einem passenden Lokal ausklingt, in dem Agenten und Narcos zwischen leichten Mädchen Champagnerflaschen leeren.
Doch die Hauptattraktion präsentiert Julio. Er zieht einen kolumbianischen Pass aus der Tasche und lässt ihn unter den ehemaligen Rivalen und Verbündeten herumgehen. Die Grin-gos haben ihm eine neue Identität und ein reguläres Visum verschafft. Dank der Vereinigten Staaten muss Julio Fierro jetzt nicht mehr auf ein Grab in Kolumbien hoffen. Die Kettenreaktion, die er mit dieser Geste auslöst, ist Teil der jüngeren
Geschichte Kolumbiens. In Natalias Geschichte aber steht etwas anderes im Mittelpunkt: Mariana, geboren in Miami, US-amerikanische Staatsbürgerin.
Die Geschichte von den Verhandlungen zwischen der DEA und den Narcos ist in Wirklichkeit gar nicht so unglaublich, wie es auf den ersten Blick
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