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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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sich von nun an mehr um seine Familie kümmern, behauptet er, doch das ist eine Lüge. Oder vielmehr nur die halbe Wahrheit, denn der große Carlos Castano lügt natürlich nicht. Der Anwalt aus Miami trifft sich immer öfter mit ihm.
    Sie verhandeln über eine Kapitulation, über den Verrat.
    Im April 2004 verschwindet Carlos Castano. Es kursieren Gerüchte, er habe sich ins Ausland abgesetzt, um ein neues Leben zu beginnen, und es gibt Spekulationen darüber, wer daran interessiert gewesen sein könnte, ihn zu eliminieren.
    Erst zweieinhalb Jahre später werden seine sterblichen Überreste in einer Grube auf der Finca Las Tangas gefunden, wo er und sein Bruder Fidel die erste konterrevolutionäre paramilitärische Gruppe gegründet hatten. Von dieser Finca hatte alles seinen Anfang genommen, hier ging für Carlos Castano alles zu Ende. Sein Bruder Vicente hatte den Mordbefehl erteilt.
    Mit Carlos Castanos Tod wird der Weg für El Mono frei. Er ist nicht nur stellvertretender Kommandant der Autodefensas, er ist auch der Weitsichtigste und Fähigste. Das
    Auslieferungsgesuch, das mittlerweile auch über seinem Haupt schwebt, scheint ihn nicht nervös zu machen. Er lässt sich nicht von der giftigen Wut anstecken, mit der nach Carlos Castanos Rücktritt von der Führung viele andere Bosse dessen Namen bespuckt hatten. El Mono behält einen kühlen Kopf und verliert die Organisation und seine Männer nicht aus dem Blick.
    Er vertuscht die Probleme nicht, sondern versucht, sie zu lösen.
    El Mono nimmt Verhandlungen mit der Regierung Uribe auf und bittet den Bischof von Monteria um Vermittlung, der in seiner Schulzeit sein spiritueller Mentor war. Im Juli 2003 wird das erste Abkommen unterzeichnet. Die AUC verpflichten sich zur vollständigen Demobilisierung, zur Einstellung aller Kampfhandlungen und zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen. Im Gegenzug gewährt der kolumbianische Staat weitreichende strafrechtliche Vergünstigungen. Viele Urteile werden ausgesetzt, ebenso ein Großteil der Ermittlungen gegen alle, die ihre Waffen niederlegen. Die Haftstrafen für Delikte wie Drogenhandel und Menschenrechtsverletzungen, die sie für den Rest ihres Lebens hinter Gitter gebracht hätten, werden auf wenige Jahre herabgesetzt.
    El Mono ist auch ein hervorragender PR-Manager. Wenige Tage nach dem Abkommen gibt er der wichtigsten kolumbianischen Wochenzeitung Semana ein Interview und erläutert, warum die AUC erst jetzt zu Verhandlungen bereit sind: »Zum ersten Mal versucht eine Regierung, die Demokratie und die staatlichen Institutionen zu stärken. Wir haben stets die Präsenz des Staates gefordert, seine Verantwortung. Wir mussten zum Gewehr greifen, weil uns diese Verantwortung des Staates gefehlt hat. Wir mussten an seiner Stelle agieren und in den Regionen unter unserer Kontrolle die Staatsmacht ersetzen.«
    Geschickt laviert er auch bei dem heiklen Thema Drogenhandel. Er bestreitet nichts, versichert aber, seine Männer würden nur Schutzgeld für das Kokain einkassieren, wie alle anderen auch. Doch auch hier ist er ein geschickter und ehrgeiziger Akteur. Seine italienische Herkunft, anfangs eher mit Skepsis betrachtet, hatte sich ihm als nützlich erwiesen. Er war es, der mit den Kalabresen, den größten und verlässlichsten Kunden seit Pablo Escobars Zeiten, die Verhandlungen führte.
    Und so scheint im Moment alles wie zuvor, ja besser als zuvor. Nach Jahren im Untergrund kann Salvatore Mancuso jetzt zu seiner Frau Martha und zu seinen Kindern zurückkehren.
    Die jüngeren erkennen ihn nicht wieder, und bei Gianluigi hat er selbst Schwierigkeiten. Der Junge ist erwachsen geworden und wird ihm bald einen Enkel schenken. Mancuso erhält sogar eine Einladung ins Parlament, wo er im dunklen Anzug und mit roter Krawatte mit weißen Querstreifen - ein Vorbild italienischer Eleganz - die historische Rolle der Autodefensas darlegt.
    Auf dem von ihm kontrollierten Territorium an der Grenze zu Venezuela inszeniert er seine Kapitulation und die Demobilisierung der Männer unter seinem direkten Kommando. Alle legen ihre Waffen nieder. Es ist ein Augenblick feierlicher Ergriffenheit, den er nutzt, um eine Rede zu halten: »Mit vor Demut überquellendem Herzen bitte ich das kolumbianische Volk um Vergebung. Ich bitte die Völker der Welt um Vergebung, auch die Vereinigten Staaten von Amerika, wenn ich ihnen durch meine Taten oder Unterlassungen Böses getan habe. Ich bitte die Mütter und all jene um Vergebung, denen wir Leid

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