ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
zugefügt haben. Ich übernehme die Verantwortung für die Führungsrolle, die ich gespielt habe. Für das, was ich hätte besser machen können, und für das, was ich nicht getan habe -
Fehler, die meiner menschlichen Unzulänglichkeit und meiner mangelnden Berufung zum Krieg geschuldet sind.«
Fast zwei Jahre später lässt er sich von seiner Eskorte zum Kommissariat von Monteria begleiten, um sich zu stellen. Inzwischen hat das Verfassungsgericht einige strafrechtliche Vergünstigungen, die mit der Regierung ausgehandelt worden waren, für verfassungswidrig erklärt. Doch El Mono hat keine Angst vor der kolumbianischen Justiz und auch nicht vor den Gefängnissen des Landes. Vom Hochsicherheitsgefängnis in Itagm aus kommandiert er seine Truppen und führt die Geschäfte fast wie Escobar in den Jahren seiner Inhaftierung.
Die AUC, offiziell aufgelöst, reagieren wie Öl im Wasser, in das man ein halbes Glas Natriumbikarbonat schüttet. Ein Teil löst sich auf, der Rest klumpt zusammen und bildet erneut kleine Ölflecken auf der Oberfläche. Einige Anführer lassen sich entwaffnen und hoffen auf die versprochenen Vergünstigungen, unter ihnen allerdings auch reine Drogenschmuggler, die sich als Militärführer ausgeben. Und auch wenn sie vom Gefängnis aus noch das Kommando führen, schließen sich alle, die noch auf freiem Fuß sind, zu neuen Gruppen zusammen: Paramilitärs und Narcos, die nach der Zerschlagung der Kartelle verwaist sind. Sie nennen sich Aguilas Negras, wie die Organisation unter Führung des Brudermörders Vicente Castano, oder Oficina de Envigado, Ejercito Revolucionario Popular Antiterrorista Colombiano (ERPAC), Rastrojos, Urabenos, Paisas. Sie verbünden und trennen sich, und sie kennen nur ein gemeinsames Interesse: das Kokain. So entsteht das neue Kolumbien, das grausame Land Liliput. Die Ära El Monos neigt sich dem Ende entgegen.
Der Angeklagte Salvatore Mancuso Gomez präsentiert sich glatt rasiert und in Nadelstreifen wie bei einer Hochzeit oder
einem Geschäftstreffen. Es ist der 15. Januar 2007. Er sitzt neben dem Staatsanwalt, vor sich ein Mikrofon und ein Aufnahmegerät. Er holt einen Laptop heraus, stellt ihn vor sich auf den Tisch und schaltet ihn ein. Dann beginnt er zu lesen. Der Gerichtssaal hallt wider von Namen, die er mit professioneller Sachlichkeit herunterleiert. Am Ende sind es mindestens dreihundert Namen, in streng chronologischer Reihenfolge. Es ist die Liste der Morde, für die er persönlich die Verantwortung übernimmt, sei es als Ausführender oder als Auftraggeber. Von einigen hat ihn die kolumbianische Justiz bereits freigesprochen.
Im Gerichtssaal herrscht Irritation. Warum tut er das?
Und warum beginnt er, nachdem er fertig ist, die Massaker aufzuzählen, die er angeordnet oder mitgeplant hat?
La Granja, Juli 1996.
Pichilm, Dezember 1996.
Mapiripan, Juli 1997.
El Aro, Oktober 1997.
La Gabarra, drei Überfälle zwischen Mai und August 1999.
El Salado, Februar 2000.
Tibu, April 2000.
Bei all diesen Aktionen, so erklärt der Angeklagte Mancuso Gomez, seien sie nicht allein gewesen. Beteiligt waren hochrangige Militärs, die ihnen logistische Hilfe leisteten, und ganze Bataillone von Soldaten. Politiker wie der Senator Mario Uribe Escobar gewährten ihnen stets Unterstützung.
Warum tut er das? Ein Mann mit seiner Intelligenz und seinen Führungsqualitäten? Das fragen sich viele, deren Namen er genannt hat. Mit seiner Auslieferung an die USA wird seine Stimme in Kolumbien schwächer, ohne dass sie verstummt.
Von nun an soll niemand mehr seinen Kopf retten können.
Vertreter der höchsten Ebenen in Kolumbien machten Geschäfte mit den Paramilitärs und arbeiteten mit ihnen zusammen. Staatsanwälte, Politiker, Polizeibeamte, Armeegeneräle: die einen, um sich ihren Anteil am Kokainmarkt zu sichern, andere, um Wählerstimmen und Unterstützung zu gewinnen. Nach Aussagen Mancusos hatten Ölkonzerne, die Getränke- und die Holzindustrie, Transportunternehmen und die multinationalen Bananenkonzerne Verbindungen zu den Autodefensas. Ausnahmslos alle bezahlten den Paramilitärs riesige Geldsummen im Tausch gegen Schutz und die Möglichkeit, weiterhin in diesen Regionen tätig sein zu können. Es waren Jahre, da die AUC in der gesamten Produktions- und Vertriebskette mitmischten.
Mancuso spricht im Fernsehen, in der CBS-Sendung 60 Minutes. Dann erlöschen die Scheinwerfer, und der Häftling wird wieder in seine Zelle im Hochsicherheitsgefängnis von
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