ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Dorf.
Aus Bogota zurück, stellt Bruno fest, dass Scali ihm 600 Millionen Lire Zinsen in Rechnung gestellt hat, zahlbar durch eine weitere Reise und dann durch noch eine. Jetzt macht er nicht mehr nur Repräsentationsbesuche, sondern kontaktiert neue Lieferanten. Die Verhandlungen, die mit seiner Hilfe in die Wege geleitet werden, führen zum Transport von vielen Tonnen Kokain nach Kalabrien. Natale Scali hat richtig kalkuliert. Als er schließlich anbietet, Fudulis Schuldenproblem dadurch zu lösen, dass er seine Betriebe übernimmt, lehnt der dankend ab. Es kommt zur einvernehmlichen Trennung. Für Scali ist das kein Problem, für Bruno schon. Zu den Zinswucherern aus dem Dunstkreis des Mancuso-Clans hat sich jetzt nämlich ein veritabler Boss der Locride hinzugesellt.
Die Dörfer Kalabriens sind klein, und die ’Ndrangheta ist eine gut vernetzte Organisation. Ein kleiner Zweig des großen Baums muss wieder eingegliedert werden. Vincenzo Barbieri, ein Drogenhändler des Mancuso-Clans, wurde vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen und verbüßt den Rest seiner Strafe im Hausarrest. Die Lösung ist so einfach und naheliegend, dass Diego Mancuso, einer der Bosse der ’ndrina von Vibo Valentia, Fuduli persönlich bittet, Barbieri in seiner Firma Lavormarmi eine Arbeit zu geben, um ihm die Wiedereingliederung nach der Haft zu erleichtern. Alles Übrige geht wie von selbst: Brunos zunehmend verschuldete Betriebe fallen in die Hände dessen, der sich bei ihm eingenistet hat. Vielleicht bildet er sich ein, das Spiel mit Barbieri und seinem nicht vorbestraften com-pare unter Kontrolle zu haben, nicht zuletzt deshalb, weil die beiden beteuern, mit den Mancuso lieber nichts zu tun haben zu wollen.
Vincenzo Barbieri und Francesco Ventrici sind ein seltsames Paar, mehr als nur zwei Blutsbrüder, die der ehrenwerten Gesellschaft treu ergeben sind. Der Jüngere, Ventrici, ist nicht einmal offiziell Mitglied der Organisation, er steht ihr nur
nahe - auch deshalb, weil er Barbieri nahesteht, sehr nahesteht. Die beiden bilden eines jener unzertrennlichen Paare, wie sie einem in den Dörfern Süditaliens so oft begegnen. In Dörfern wie San Calogero, versunken in der Langeweile seiner Bars, wo sich die Männer treffen und die Heranwachsenden eine Art Initiationsritual absolvieren, wenn sie sie zum ersten Mal betreten. Dörfer, in denen sich mancher Junge einem bewunderten Erwachsenen anschließt, dem er, selbst erwachsen geworden, nachzueifern sucht: in einer engen, von Ehrerbietung geprägten Beziehung. Ventrici heiratet eine Cousine Bar-bieris, wodurch sie zu echten compari werden, Taufpaten ihrer Kinder. So präsentieren sich Fudulis unerwünschte Geschäftspartner in San Calogero. Barbieri ist der rechtmäßige Besitzer einer Produktionsfirma für Couchgarnituren, und sein gepflegtes gutbürgerliches Äußeres hat ihm den Beinamen »U Ragioniere«, der Buchhalter, eingebracht. Ventrici ist ein kräftiger Kerl mit Knopfaugen und Doppelkinn, dem das eingängige Etikett »El Gordo«, der Fettkloß, wohl von einem kolumbianischen Freund angeheftet wurde. Die Geschäfte, die sie über Fudulis Firmen abwickeln, und die Dienste des Firmeninhabers werden zum Prüfstein dafür, ob sich ihre Partnerschaft lohnt.
Die paradoxe Schlüsselfigur jedoch ist nach wie vor Bruno. Bruno, der zum Diener zweier Herren geworden ist und zum Opfer vieler anderer. Bruno, der weiter nach Südamerika fliegt und für Scali und den Clan von Vibo Valentia verhandelt oder vermittelt, neue Kontakte, neue Routen und neue Transportmodalitäten prüft und zunehmend das Vertrauen seiner südamerikanischen Gesprächspartner gewinnt. Er trifft sie in Kuba, Panama, Venezuela und Ecuador, aber auch in Italien und Spanien. Brunos Sicherheit und Ungezwungenheit wächst,
er ist stets korrekt und bestens organisiert: ein Partner, mit dem man gern und freundschaftlich zusammenarbeitet. Und wenn sie am Telefon von Partys und von der Zahl der geladenen Gäste reden, nur um verschlüsselt den Transport und die Menge des Kokains abzusprechen, heißt das nicht, dass sie ihn nicht tatsächlich zu ihren Partys einladen.
Doch diese Geschäftsreisen sind zermürbend. Wenn man in einer gewissen Branche arbeitet, ist Kolumbien ein mörderischer Dschungel, auch wenn man in den besten Hotels der Hauptstadt absteigt oder in den luxuriösesten Villen zu Gast ist. Und diejenigen, die einem den besten Preis machen, sind nach dem Zerfall des Cali- und Medellin-Kartells die
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