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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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der vom Aspromonte aufgebrochen war, um als Vertreter der ’ndrine in Kolumbien aufzutreten. Jetzt sitzt er im Gefängnis, aber in Lateinamerika, in Westafrika und an vielen anderen Orten der Welt, die bisher auf keiner Landkarte der illegalen Handelsströme verzeichnet sind, gibt es viele wie ihn. Abscheuliche, gefährliche Orte, an denen man sich nur aus geschäftlichen Gründen niederlässt. Papi Scipione könnte mir entgegenhalten, dass es keinen Unterschied gibt zwischen dem, was er im Auftrag der ehrenwerten Gesellschaft machte, und dem, was die Direktoren der Großkonzerne taten, wenn sie die Autodefensas bezahlten, um sich optimale Arbeitsbedingungen zu sichern - eine Vorgehensweise, die sein Kokainlieferant Salvatore Mancuso im Gefängnis von Warsaw bestätigte. Das einzige Risiko, das minimiert werden muss, ist das unternehmerische Risiko. Das persönliche Risiko wird dir finanziell vergütet. Wenn du Pech hast und es geht schief - zum Beispiel auf einer Ölplattform, die von islamischen Terroristen angegriffen wird -, wird das Unternehmen sofort jemanden finden, der für Geld an deine Stelle tritt. Nur dass du in diesem Fall nicht zum Telefon greifen und mit deinem Boss sprechen kannst, würde Papi hinzufügen. Die ’Ndrangheta ist nicht nur eine Gesellschaft mit einer Firmenzentrale und weitverzweigten Niederlassungen. Sie ist ein
    Baum, dessen weit ausladende Zweige mit dem ausgehöhlten schützenden Stamm kommunizieren.
    Für diesen Baum, von dem er nie ein Teil wurde oder werden wollte, wurde Bruno Fuduli immer unverzichtbarer. Das ist das Verrückte an seiner Geschichte. Auch Natale Scali nimmt erneut seine Dienste in Anspruch: weil er Probleme mit Ventrici und Barbieri hat, aber auch, weil Bruno einfach tüchtig ist. Die beiden compari beschäftigen ihn nicht weiter, und Bruno, der scheinbar an ihren Fäden zappelt, glaubt er am allerwenigsten fürchten zu müssen. Aber die Ermittlungen sind bereits im Gange, und Bruno führt nicht nur ein Doppelleben, sondern ein Dreifachleben. In Kalabrien gilt er als Rädchen im Getriebe, doch in Kolumbien gewinnt er bei den maßgeblichen Leuten immer mehr Respekt. Er verhandelt jetzt nicht mehr nur mit den Narcos, sondern direkt mit den oberen Rängen der AUC und muss sich daher selbst das kolumbianische Sprichwort zu Herzen nehmen, dass man eher dem Neid zum Opfer fällt als dem Krebs. Er weiß, dass er mehr darauf achten muss, was er über seine Dienstreisen erzählt, als darauf, sein unaussprechliches Geheimnis zu wahren. Nur den Carabinieri und den Staatsanwälten kann und muss er alles anvertrauen, bis ins kleinste Detail. Fuduli enthüllt minutiös eine neue Welt. Er ist wohl nicht nur in Italien der Erste, der der neuen Realität des Drogenhandels ein Gesicht gibt. Er erzählt von einem FARC-Guerillero, der im Dschungel an der Grenze zu Ecuador lebt und nur nach Bogota kommt, um mit Kokain zu handeln und sich Material für den Bau von Sprengsätzen zu beschaffen. Er erzählt von einem Paramilitär, der für die AUC mit Kokain handelt und sich »Rambo« nennt. Bruno beschreibt die Narcos nicht mehr als die Herren Kolumbiens, sondern als
    Kleinunternehmer, die in Abhängigkeitsverhältnissen erpresst und ausgesaugt werden, die schlimmer sind als seine eigene Situation. Er erzählt Geschichten, die er von Ramiro gehört hat: von der Flucht seines Freundes mit der ganzen Familie, als nach dem Ende der Hegemonie des Cali-Kartells das Geld nicht mehr reichte, um die Gier der Neueinsteiger zu stillen; vom letzten Mal, als Ramiro wie ein Hase laufen musste, weil er sich bezüglich der Kokainküchen nicht mit den AUC »ins Vernehmen gesetzt« hatte. Cocinas, cocinero, negocio. Küchen, Koch, Geschäft. Bruno gebraucht ein unübersetzbares spanisches Vokabular, Wörter, die von Mühsal und Rivalitäten künden, als handle es sich um mittelalterliche Werkstätten.
    Für die italienischen Fahnder ist all dies Neuland. Sie haben Mühe, Bruno in eine Welt zu folgen, die anders ist als jene, über die sie Kenntnis besitzen: das Medellin-Kartell, das CaliKartell. Jetzt soll es plötzlich unwichtig sein, ob man aus Medellin oder aus Cali kommt. Für das System rund um das Kokain zähle nur, ob man Paramilitär oder Guerillero ist. Fu-duli reist seit 1996 nach Kolumbien. Seine Zusammenarbeit mit der Polizei beginnt ein Jahr, bevor die Vereinigten Staaten die AUC zu einer terroristischen Organisation erklären, deren Verbindungen zum Drogenhandel jedoch immer noch nur ein

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