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ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

Titel: ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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sich eine Schwachstelle: die Vibonesen. Sie sind unerfahren und von dem unbezähmbaren Wunsch beherrscht, die Milliarden, die sie von Marando bekommen haben, für sich zu behalten. Felipe verlangt einen kleinen Teil der Zahlung für sich selbst. Er sagt, er wolle seinen Bruder ruinieren, und verspricht, die Sache selbst mit ihm zu regeln. Ventrici, der sich im Unterschied zu Barbieri frei bewegen kann, gibt nach. »Zahlen wir diese sechs Millionen, dann sollen die sich zusammenraufen«, sagt er zu seinem Kompagnon. Doch Daniel verlangt den vollen Betrag; dass sein Bruder bereits einen Teil des Geldes erhalten hat, interessiert ihn nicht.
    Daniel findet einen Weg, seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, ohne die geheimen Kokainküchen Kolumbiens zu verlassen. Er schickt bewaffnete Botschafter mit einem Ultimatum zu Ventrici, vor allem aber übermittelt er ihm aus Kolumbien ein Fax mit einem Foto seines Hauses und ein zweites, in dem er ankündigt, zwei Millionen Dollar an seine Freunde von der ETA zu schicken, damit sie sein Haus und ihn selbst in die Luft sprengen. Ventrici, der Dickwanst, der eben noch das Maul weit aufgerissen hat, zittert jetzt vor Angst. Er bittet Bruno, sich in Kuba mit einem Drogenhändler namens
    Ramiro zu treffen, zu dem dieser einen besonders vertrauensvollen Kontakt hat. Ramiro bestätigt ihm, dass Daniel Kokain an die baskischen Terroristen verkauft, hält es aber für ausgeschlossen, dass die ETA militärische Maßnahmen ergreift, um Geldzahlungen einzutreiben.
    Die Gemüter beruhigen sich. Doch auf Bruno hat die Geschichte einen merkwürdigen Effekt. Er hat gesehen, wie der Mann, der ihm sein Unternehmen wegnahm, sich vor Angst in die Hose gemacht hat - aus Gründen, die er selbst nur allzu gut versteht. Und er hat erneut die Bestätigung erhalten, dass er in der Achtung der Narcos höher rangiert als die beiden compari, die glauben, sie hätten ihn in der Hand. Jetzt haben auch sie begriffen, dass, verglichen mit Kolumbien, Kalabrien eine Spielwiese ist. Man kann sich leicht als Mann aufspielen, wenn man die Organisation hinter sich hat, an der man sich festhalten kann wie am Rockzipfel der Mutter, auch wenn man sich in jugendlichem Übermut bisweilen loszureißen versucht. Letztlich aber behält der Baum jedes Blatt im Auge, das sich bewegt. Bruno hat sich entschlossen, nicht mehr über sich bestimmen zu lassen. Und daran hat er gut getan.
    Tatsächlich kann der Streit nur durch die Vermittlung der starken Äste des Baums beigelegt werden. Natale Scali und Pasquale Marando bürgen bei den kolumbianischen Brüdern für die zahlungsunfähigen compari Ventrici und Barbieri und haften damit bei den Kolumbianern für deren Schulden in Höhe von sechs Millionen Dollar. Damit verhindern sie Scherereien, die sie nicht gebrauchen können. Sie haben dringendere Probleme. In Kolumbien ist Papi Scipione von den üblichen Komplikationen bei der Zahlungsabwicklung betroffen. Seine Erfahrung und sein Einfluss in der Branche können nicht verhindern, dass die Paramilitärs sich auch mit ihm anlegen,
    nachdem sie seinen Vertrauensmann bereits seit einem Monat als Geisel festhalten. Mit den AUC Geschäfte zu machen bringt enorme wirtschaftliche Vorteile, aber es genügt ein kleiner Fehler, über den normale Drogenhändler ganz entspannt sprechen würden, und du riskierst ernsthaft, in einer Grube zu landen. Santo Scipione rechnet damit, dass sie kommen und ihn holen. »Ich weiß nicht, wohin ich fliehen soll«, sagt er mit einem angstvollen Seufzer zu Natale Scali, dessen Telefon bereits abgehört wird. Der Boss von Gioiosa Jonica möchte Santo Scipiones Kopf retten: »Das Leben eines Kalabresen ist mehr wert als eine Geldschuld bei denen, die ihr Wort nicht halten.« Auf sein Wort, vor allem aber auf seine Solvenz verlassen sich sogar die Paramilitärs. Die Geiseln kehren nach Hause zurück. Doch die Episode hat den alten Fuchs des kalab-rischen Drogenschmuggels das Fürchten gelehrt.
    Auf seine Erfahrung zu bauen kann bisweilen üble Folgen haben. Allzu gern verlässt man sich auf das Bewährte und wird betriebsblind für die Aspekte, die nicht ins Konzept passen. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum die Familien von Marina di Gioiosa Jonica, schon wieder die Aquino-Coluccio, den größten Fehler der ’Ndrangheta nach dem Blutbad von Duisburg begehen: Sie machen mit dem Golf-Kartell Geschäfte, genauer gesagt, mit den Zetas, die anfangs der militärische Arm des »Freundesmörders« Osiel

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