Zerrissen - Thriller
verstanden?“
Jetzt sah ich den Hass in ihren Augen, den Hass auf sich selbst.
„Dann hilf mir.“
Das waren die letzten Worte, die ich sagte, bevor ich abgeführt wurde.
*
„ Vermisster Niklas: Mutter auf Rachefeldzug gegen Ex-Liebhaber “
Am Abend des 15. September 2007 teilte das Polizeipräsidium offiziell mit, dass Charlotte Stuart, die Mutter des seit zwei Monaten vermissen Niklas Stuart einen Mordanschla g auf ihren Ex-Liebhaber ausgeübt hatte . Charlotte Stuart, die vor wenigen Tagen einen verzweifelten Hilferuf im Fernsehen star tete, hielt offenbar ihre n ehemalige n Liebhaber für den Entführer ihres Sohnes. Der Verdächtige hat te allerdings ein wasserfestes Alibi – die Mutter persönlich. Am Tag der Entführung war die Mutter mit dem Unbekannte n zusammen und verbrachte mit ihm einige Stunden , während der achtjährige Niklas aus dem Elternhaus entführt wurde. Cha rlotte Stuart belastete den 33-J ährigen schwer, musste aber zuge ben, während der Tatzeit mit ihrem Liebhaber zusammen gewesen zu sein.
Isabell a war schockiert, was war das fü r eine unglaubliche Geschichte? Ein Junge wird entführt, die Mutter erhebt schwere Vorwürfe gegen ihren Liebhaber, der Vater wend et sich von der Mutter ab und verschwindet mit dem älteren Sohn . Die Mutter wird wegen versuchten Mordes verurteilt. Und nun sitzt diese Frau gemeinsam mit ihr in dies er verdammten Therapie. Am Ende der nächsten Sitzung sprach Isabella Charlotte an.
„Wenn ich Dir helfen soll, dann musst Du mir Dein e g anze Geschichte erzählen. Lass nichts aus! “
Ich schluckte . Ich h atte nicht mehr damit gerechnet , dass sie mich ansprechen würde. Das war meine Chance, so fing ich an , zu erzählen. Wir hatten nur ein paar Minuten.
„Alles hat damit angefangen, dass ich Raoul kennenlernte. Er begann, als Kunstlehrer an der Schule zu unterrichten . Ich fühlte mich einsam und verlassen , als er mich das erste Mal ansprach. Ich saß im Lehrerz immer und korrigierte die Arbeiten meiner Schüler. Ich bemerkte nicht, dass jemand das Zimmer betrat. Klar, jedem war Raoul Richter aufgefallen, zumindest jeder Frau. Er sah einfach verdammt gut aus – südländisch, leidenschaftlich. Seine Lippen versprachen so E iniges. In dem Moment dachte ich aber noch nicht an eine n Seitensprung. Wer tat das schon vorher! Ich war nicht auf der Suche, wollte meine Familie nicht hintergehen, doch er stellte mir nach, machte mir schöne Augen und verführte mich am Ende. Das erste Mal taten wir es im Schulgebäude. Ich hatte mich seit meiner Jugend nicht mehr so frei gefühlt wie in diesem Moment. Es war weder romantisch noch gefühlvoll. Es war eher schmutzig und falsch, doch es gefiel mir – in dem Augenblick. Nur einen Moment schämte ich mich dafür und bekam höllische Angst. Ich fuhr nach Hause und mein Mann wartete bereits auf mich, was er normalerweise nie tat . Ich fühlte mich ertappt, unwohl und verdammt schmutzig, doch das Lächeln wollte nicht aus meinem Gesicht verschwinden. Er wollte mich überraschen , meinte er , und schenkte mir ein en Blumenstrauß. Die Jungs wären bei Freunden und wir hätten die ganze Nacht für uns allein. In dem Moment wusste ich, dass ich etwas Falsches gemacht hatte, doch mir war gleichzeitig auch klar, dass es sich wiederholen würde. Mein Mann und ich liebten uns zweimal in dieser Nacht, doch gedacht habe ich dabei an Raoul Richter.“
Ich stockte und sah Isabella tief in die Augen. Verurteilte sie mich? Fühlte sie mit mir? Verstand sie mich? Ich konnte aus ihren Augen nichts lesen, sie waren glasig, kaputt – wie ihre Seele. Sie sagte nichts und ich erzählte weiter.
„Die Affäre dauerte viele Monate, beinahe ein Jahr. Ian wurde misstrauisch und deshalb entschloss ich mich dazu, Ian zu überreden nach Frankreich zu fahren, dorthin , wo wir als Familie immer so glücklich waren. Ich machte mit Raoul Schluss und entschied mich für meine Familie. Der Urlaub war perfekt, doch je näher ich nach Hause kam, desto mehr spürte ich das Verlangen nach Raoul und seiner Liebe.“
Ich hasste mich so sehr für diese Worte, doch damals fühlte ich so. Ich vergrub den Kopf in den Händen und musste tief durchatmen. Isabella schwieg, sie setzte mich nicht unter Druck. Ich sprach mit einer mir fast völlig fremden Frau, doch es fühlte sich so gut an. Endlich hörte mir jemand zu.
„Danach weißt du ja , was passiert ist.“
Sie nickte und gab mir ein Taschentuch. Ich bemerkte nicht,
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