Zerrissenes Herz (German Edition)
melden würde.
Irgendwann würde er das Telefon wegwerfen müssen, für den Fall, dass es einen GPS-Tracker hatte. Er schaute auf die Uhr – wie komisch, nach so langer Zeit auf einmal die genaue Uhrzeit zu wissen. 19.00 Uhr. Also schon spät am Tag. Das Flugzeug würde bald landen.
Es war an der Zeit, das Gebäude zu verlassen. Er hoffte inbrünstig, dass er nach dem Verlassen der Zelle niemandem auffallen würde.
Wann immer man ihn in ein anderes Gefängnis verlegt hatte,waren ihm die Augen verbunden worden. Darum hatte er nur eine äußerst vage Vorstellung davon, worauf er sich einließ. Er trat in den Gang hinaus, der von einer nackten Glühbirne erhellt wurde, und schloss die Tür hinter sich ab. Es gab einige weitere Türen, aber er kümmerte sich nicht darum, sondern wandte sich stattdessen in Richtung Treppe, die nach oben und draußen führte.
In den angespannten Händen hielt er das Messer und die Pistole. Er trat durch die Tür nach draußen und blinzelte wie Rip van Winkle, der gerade aufwachte. Das Licht, das durch das dichte Dach der Bäume und Weinreben fiel, hatte einen blendenden Goldton. Ein überwachsener Pfad führte zu einem breiten Fluss oder Kanal, das konnte er von seiner Position aus nicht bestimmen.
Aus den Geräuschen hatte Julian geschlossen, dass es vermutlich ein ziemlich großes Camp war. Doch er war nicht darauf vorbereitet, wie groß. Kokainballen wurden auf einen Lastkahn – einen verdammten Lastkahn! – geladen. Es war wie in Long Beach, Kalifornien. An den Flachdachgebäuden, die überall auf dem Grundstück verteilt standen, hielten bewaffnete Männer Wache. Arbeiter benutzten Gabelstapler und einen Kran, um ganze Paletten Koks zu verladen. Es gab mehrere Chevy Blazer mit fest montierten Maschinengewehren. Zahlreiche aufgereihte Fässer säumten den Kai, und die Gabelstapler brachten immer noch mehr. Julian benutzte den Feldstecher, um sich die Szenerie genauer anzusehen. In den Fässern befanden sich vermutlich die Chemikalien, die man brauchte, um Kokain herzustellen – Kerosin oder Benzin, Aceton, Schwefelsäure. Er konnte die Schrift nicht lesen, aber er erkannte ein unmissverständliches Symbol – den Totenkopf mit den gekreuzten Knochen.
Ausgezeichnet, dachte er.
Schritte knirschten auf dem Kiesweg, der sich quer über das Gelände zog. Julian hielt sich das Handy ans Ohr, zog die Schultern hoch und ging in Richtung Wasser. Auch wenn er durch seine gemischtrassige Herkunft einen leicht südländischen Eindruck machte, hatte er keine große Ähnlichkeit mit Cuevas. Jeder, derihm begegnete und genau hinsah, würde wissen, dass er ein Fremder war. Er musste darauf bauen, dass die Menschen selbst so beschäftigt waren, dass sie es nicht bemerkten.
Der Kerl auf dem Kiesweg schaute ihn kaum an. Julian achtete auf seine Schritte, bemühte sich, nicht zu eilig zu wirken.
Ein nasales Fiepen kündigte die Ankunft des Wasserflugzeugs an. Es legte eine perfekte Landung hin und tuckerte dann zum Kai. Ein Arbeiter half, es festzumachen. Nachdem die kleine Tür aufgestoßen worden war, stieg ein Mann in Kakiuniform und mit verspiegelter Sonnenbrille aus. Ihn umgab eine Aura der Autorität, als er auf dem Kai an den aufgereihten Fässern und Kokainpaletten entlangging.
Alles wie immer. Immer noch unbemerkt, machte Julian sich auf den Weg zum Flugzeug. Angenommen, er schaffte es, das Flugzeug in seine Gewalt zu bringen, würde er fliegen, ohne eine Ahnung zu haben, wo er überhaupt war. Er konnte nur hoffen, dass die Instrumente ihm weiterhelfen würden. Das Wichtigste war, das Flugzeug zu erreichen, bevor der Pilot ausstieg. Alle Anwesenden schienen sich voll auf den Passagier zu konzentrieren. Das konnte nur Don Benito höchstpersönlich sein. Es war Julian egal. Er wollte einfach nur weg.
Soldaten luden Kilopakete auf die Paletten für den Lastkahn. Julian machte es ihnen nach, stapelte ein Dutzend der brikettförmigen Päckchen mit dem aufgestempelten schwarzen Spinnenlogo auf einen Handwagen und zog diesen den Pfad zum Kai hinunter, wo bereits eine weitere Palette wartete. Er hielt den Kopf gesenkt, beobachtete alles mit wachsamem Blick und unterdrückte den Drang, sich zu sehr zu beeilen. Auf dem Dock lief ein jefe hin und her und organisierte die Beladung der neben den Fässern liegenden Paletten.
Wo man auch hinsah, hingen Rauchen-verboten-Schilder. Julian war jetzt nah genug dran, um die Aufschrift auf den Fässern lesen zu können. Sie enthielten eine breiige
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