Zerrissenes Herz (German Edition)
Mischung aus in Kerosin eingeweichten Kokablättern. Diese würde getrocknet und mit Schwefelsäure und anderen Substanzen behandelt werden,bevor die dabei entstehende Rohmasse zu Kokain-Hydrochlorid verarbeitet wurde, dem bekannten weißen Pulver.
Die Fässer boten einen teilweisen Schutz zwischen dem Kai und dem Bereich, in dem gearbeitet wurde. Julian dachte an die Zigarillos und die Streichhölzer, die er Cuevas abgenommen hatte. Einige der Männer, die weiter oben standen, rauchten, aber keiner hier unten. Es war zu gefährlich. Aber verdammt, alles, was er tat, war zu gefährlich.
Er hielt in seiner Arbeit inne und holte eine schmale braune Zigarre hervor. Er war noch nie ein großer Raucher gewesen. Seine Mom hatte ihn als Kind mal mit einer Zigarette erwischt. Anstatt ihn dafür zu bestrafen, hatte sie darauf bestanden, dass er Mentholzigaretten rauchte, und zwar eine nach der anderen, bis ihm schwindelig geworden war und er sich hatte übergeben müssen. Aversionstherapie nannte man so etwas wohl. Und bei ihm hatte sie definitiv gewirkt.
Er schob die Streichholzschachtel heraus und zündete das Zigarillo an. Er paffte ein paar Mal, um es zum Brennen zu bringen. Es wehte kaum ein Lüftchen; es würde nicht lange dauern, bis es jemand bemerkte.
Monate der Langeweile hatten ihn gut vorbereitet und seine Zielgenauigkeit perfektioniert. Wie oft hatten seine trägen Finger einen Stein oder Stock an einen bestimmten Fleck an der Wand geschnippt? Mit der gleichen geübten Leichtigkeit schnippte er jetzt das brennende Zigarillo an die Fässer. Die glühende Spitze landete unter dem Rand eines Fasses. Sie würde vermutlich ausgehen, aber es war einen Versuch wert.
Nun eilte er entschlossen in Richtung Flugzeug, eine einmotorige Maschine, die er nicht kannte; vielleicht was Russisches. Er winkte dem Piloten zu, doch der telefonierte gerade. Julian löste schnell die beiden Leinen von den Klampen. Das war jetzt ein entscheidender Moment. Wenn der Pilot zu schnell bemerkte, was los war, würde ihn das in große Schwierigkeiten bringen. Und falls die Tür abgeschlossen war … sie war nicht abgeschlossen. Julian schob sich auf den Sitz neben dem Piloten.
„ Hola, amigo “, sagte er und rammte dem Mann gleichzeitig den Lauf der Pistole unters Kinn, während er ihm mit der anderen Hand das Handy abnahm und ausschaltete. „Wenn du tust, was ich dir sage, wird dir nichts passieren.“ Inzwischen war sein Spanisch beinahe perfekt, sodass der Pilot ihn auf keinen Fall missverstehen konnte. Julian nahm ihm die Waffe und das Messer ab. Es war eine gute Waffe, eine halbautomatische Pistole mit großer Reichweite. „Lass den Motor an und mach alles bereit für den Abflug.“
Der Pilot wurde kreidebleich. „Was? Wer zum Teufel bist du?“ Er war ein kräftiger Mann so um die vierzig, der die gleiche paramilitärische Uniform trug wie alle anderen.
„Tu einfach, was ich dir sage. Und zwar schnell.“
„Wenn die das bemerken, werden sie schießen.“
Julian musste nicht fragen, wer „die“ waren – die Wachen auf den Dächern und in den Geländewagen. Sie alle waren schwer genug bewaffnet, um das leichte Flugzeug in Stücke zu schießen.
„Es steht dir natürlich frei“, erwiderte Julian kühl, „dich mit mir anzulegen. Der Unterschied ist, ich werde auf jeden Fall schießen, und zwar jetzt . Also. Kein Kopfhörer. Mach einfach den Motor an.“
Das vertraute Summen ertönte. Julian hielt den Piloten fest im Blick, dem der Schweiß nun in Bächen übers Gesicht rann, und dennoch spürte er eine Veränderung in der Luft. Kein Zweifel, die Leute draußen bemerkten, dass mit dem Flugzeug irgendetwas vor sich ging.
„Beeil dich“, befahl er.
Der Pilot gehorchte und steuerte auf die Mitte des Kanals zu. Als sie ungefähr fünfzig Meter weit gekommen waren, sagte Julian: „Steig aus.“
„Aber …“
„Jetzt.“ Er presste den Pistolenlauf stärker gegen den Kiefer des Piloten.
Der Mann öffnete die Tür und ließ sich aus dem Flugzeug fallen. Julian schaffte es, die im Wind schlagende Tür zu packen und zuzuziehen. Er nahm sich nicht die Zeit, nachzusehen, ob der Pilotes geschafft hatte.
Maschinengewehrfeuer setzte ein und durchschnitt das Wasser vor ihm. Mist. Er hatte gehofft, mehr Zeit zu haben. Er zog das Steuer zurück, um Geschwindigkeit aufzunehmen und auf der Spur zu bleiben. Mit einem Blick auf den Hafen sah er die Rauchwolken, die von den auf den Geländewagen montierten Maschinengewehren
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