Zerrissenes Herz
schon ein paar Wochen her. Du könn test irgend nen Kerl nicht aus dem Kopf kriegen.“
„Trifft den Nagel auf den Kopf. Oder sagen wir mal, traf. Heut bin ich weiter. Ich will dem Kerl helfen.“
„So so. Oli, der Menschenfreund.“ Thomas nippte am Weinglas.„Hmm, ein gutes Tröpfchen. Hast du da mehr von?“
„Sechs Flaschen. Thomas, du lenkst ab.“
„Quatsch. Na wenn das so ist, kannst du in aller Ruhe erzählen. Hast du auch noch Salzstangen im Haus?“
„Immer. Und nebenbei gibt es die Kurzfassung“, spulte Oli da auch schon seine letzten drei Monate runter.
Thomas nutzte die Chance, zwei Gläser Wein mit äußerstem Genuss zu leeren. Mit großen Augen blickte Oli ihn danach an.
„Okay, und nun darf ich ein psychologisches Gutachten erstellen.“
„Eine Kurzform reicht vollkommen.“
„Dann gieß mal nach.“
Thomas lächelte, eh er die Augen schloss.
„Hase, erst mal zu dir. Da sind ja auch noch ein paar offene Fragen. Auch Hendrik wollte das übrigens wissen. Ob man nach so kurzer Zeit so vernarrt in einen Typ sein kann. Ja, es ist normal, oder kann passieren, dass man sich nach kurzer Zeit sehr stark in eine Person verliebt. Ich nenne das Verliebtheit, die aber sehr tief sitzen kann. Auch wenn es dich nun enttäuscht, aber mit richtiger Liebe hat das noch nicht viel zu tun. Aber es tut genau so weh. Das wirst du gemerkt haben. Daher ist auch dein Absturz gut nachvollziehbar, die Hoffnung auf ein klärendes Gespräch. Das hätte dir sogar in der Tat geholfen, aber du kannst so was nicht erzwingen. Bei allem, was ich grad von dir gehört hab, war die Chance dazu auch von Anfang an auf Null. Dazu später noch mal. Du hättest die Geschichte anders verarbeiten können, wärst wohl auch nie so in die Tiefe gegangen. So hast du den Liebesschmerz umständlicher verarbeitet. Über dritte. Keiner von uns ist übrigens dagegen gefeiht, sich in den Falschen zu verlieben. Du, Oli, man lernt Menschen kennen, Stück für Stück. Das weißt du doch auch. Dabei fangen Gefühle an zu wachsen, oder eben auch nicht. Es zeigt dann auch Charakterstärke, wie ein Mensch sich verhält, wenn es nicht mehr funkt oder auch generell die Chemie nicht stimmt. Damit sind wir bei deinem Stefan.“
Oli füllte die Gläser, um selber einen großen Schluck zu trinken. Thomas hatte recht. Hätte er nur schon eher dieses Gespräch geführt.
„Alles okay?“
„Sicher. Ich hätte dich schon eher treffen sollen.“
„Dann mach ich weiter. Zu deinem Stefan. Du, es kann sein, er hat tatsächlich nur gespielt mit dir. Es hört sich zumindest stark danach an. Als Affäre, Bettgeschichte, Flirt am Rande. Vielleicht war da aber auch kurz ein Funke. Nach allem, was du erzählt hast, geh ich davon aus, dass dieser Stefan eine gestörte Persönlichkeit ist. Frag mich jetzt aber nicht nach der Ursache. Da kann ganz viel hinter stecken. Dieses scheinbare Doppelleben, dieses Spiel mit Menschenleben, die Suche nach dem Spezialkick. Wenn das wirklich so ist, gehört er ganz schnell zu mir auf die Couch, ja. Aber Oli, du bist der Letzte, der ihn dorthin bringen kann.“
„Ich dachte.“
„Du denkst falsch. Das ist super lieb von dir gemeint. Aber glaub mir, du bist der aktuell wohl letzte Mensch auf dieser Welt, von dem dein Ex einen Rat annimmt. Das kann nur aus ihm selbst kommen, dass er erkennt, welchen Mist er baut und dass es ohne professionelle Hilfe nicht anders wird.“
„Kannst du mir denn sagen, warum er so oberflächlich ist? Warum zu keinem Gespräch fähig? Warum mag er den Kick, es Bareback zu treiben? Seinen Ex hat er so Jahre hintergangen.“
„Schwer zu sagen. Es scheint, als würde da einiges nicht stimmen. Mir scheint, dein Stefan ist zu keinen tieferen Gefühlen fähig. Er hat sicher auch kein Unrechtsbewusstsein. Da könnte schon in seiner Kindheit etwas kaputt gegangen sein. Vertrauen. Tiefes Vertrauen. Achtung. Respekt. Dinge, die er vielleicht nie gelernt hat. Aber noch mal Oliver, das ist Spekulation und du kannst ihm nicht helfen.“
„Sondern nur vergessen.“
Oli leerte den Rest der Weinflasche in die beiden Gläser.
„Vergessen in sofern, dass ihr miteinander redet. Aber das was du erlebt hast, das sollst du nicht vergessen. Du hast es verarbeitet und es hat dich geprägt. Wenn du so willst, hat es dich reifen lassen.“
Oliver öffnete die zweite Flasche Weißwein.
„Stimmt. Aber das möchte ich dennoch nie mehr mitmachen. Ich hab da echt das Vertrauen in die Männer verloren.
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