Zersetzt - Thriller (German Edition)
Salzwasser und einen Hauch von Fisch. Robert zeigte auf die Zitrone, träufelte etwas über seine Auster und schlürfte sie aus. Der Blick auf die Zitrone und allein der Gedanke daran zog Julias Geschmacksnerven zusammen und ließ ihren Mund eine Spitze formen.
»Ich möchte dir ja nicht zu nahe treten, Robert, aber wird man als Oberarzt so gut bezahlt, dass man sich Villa, Porsche und diese "netten Kleinigkeiten" leisten kann?«
Die Frage war ihm augenscheinlich unangenehm, doch nach einigem Zögern beantwortete er sie.
»Die Villa gehörte meinen leiblichen Eltern, die mir auch ein kleines Vermögen hinterlassen haben.« Dabei nahm er seine Serviette und tupfte sich die Überreste der Meeresdelikatesse von den Lippen. Julia hatte immer noch die große Muschel in der Hand und konnte sich nicht dazu überwinden, sich das schleimige Zeug einzuverleiben.
»Und deine Schwester ...«. Das Gespräch wurde unvermittelt durch den Song "Don´t stop me Now" von Queen unterbrochen. In diesem Haute Cuisine Restaurant herrschte ein beschauliches, gedämpftes Ambiente, doch gegenwärtig ertönte das Lied in einer Lautstärke, dass alle Gäste sofort innehielten. Julias Handy. Die anderen Besucher starrten sie an und warfen ihr einen empörten Blick zu. Robert grinste.
»Das geht mir auch immer so, kein Problem, Schatz.« Während Julia mit ihrem Smartphone vor die Tür eilte, dachte sie – aber bestimmt nicht mit einem Song von Queen in dieser Lautstärke.
»Ich hab´s, Julia, das Rätsel! Wir müssen zum ... Jul … hö … ha …?«
Die Verbindung brach ab. Felix hatte aufgeregt und außer Atem geklungen. Sofort wählte Julia seine Nummer – die Mailbox. Verflixt. Auch alle weiteren Versuche vermochten die Situation nicht zu ändern. Wohin müssen wir? Das Rätsel – ich muss das Rätsel lösen.
»Alle Fakten direkt zu mir und wenn ihr Hilfe braucht, wendet ihr euch auch nur an mich, ist das klar?« erinnerte sie sich an die Worte von Lehmann.
Nachdem sich Julia schweren Herzens und mit einem schlechten Gewissen bei Robert entschuldigt und verabschiedet hatte, bestellte sie ein Taxi.
Der Chefredakteur fand wie immer kein Ende und saß auch zu dieser späten Stunde, die Brille auf der Nasenspitze und den angespannten Blick auf den Bildschirm gerichtet, in seinem Büro. Lehmann erschrak, als Julia die Tür öffnete.
»Julia? So spät? Was ist passiert?« Mit einer Kopie des Rätsels in der Hand betrat sie das Büro und brachte den Chefredakteur auf den neuesten Stand der Dinge.
»Buchstabenwirrwarr, na klasse!« Er stellte einen Aschenbecher auf den Tisch, worauf sich Julia ohne zu zögern eine Zigarette anzündete.
»Das dauert, ich hol uns mal eine Kanne Kaffee«, sagte Julia. Lehmann signalisierte Julia mit einer Handbewegung, dass sie Platz behalten sollte, und telefonierte mit einem strebsamen Praktikanten.
»Die sollen den Kaffee bringen. So hab ich auch mal angefangen, da müssen die durch«, grinste der Chefredakteur und wandte sich den verworrenen Buchstaben zu. Julias Nervosität stieg mit jedem weiteren Versuch, Felix telefonisch zu erreichen, denn alle endeten nur auf seiner Mailbox.
»Ich habe die Worte: Info, Klinik und Berlin gefunden«, freute sich Lehmann mit einem verschmitzten Blick über seine Brille und schenkte die zweite Tasse Kaffee ein. Je länger sie sich mit dem Buchstabentumult beschäftigten, desto eher tanzten die schwarzen Lettern vor ihren Augen. Die Versuche, Felix zu erreichen, endeten immer noch im Nirwana.
»Ich habe die Worte: Bedrohung, Hunde, Vorsicht und Drei gefunden«, sagte Julia. Eine weitere Stunde, eine Zigarre, zwei Zigaretten und drei Tassen Kaffee später:
»Jetzt! Bahn, Ebene, Schließ, Kehlsee, Kinder und Gesundheit.«
Lehmann lehnte sich erschöpft im Bürostuhl zurück, atmete tief aus und ergänzte:
»Gut, Julia, und ich habe noch das Wort Fach, das wohl zu Ihrem Schließ gehört – macht es uns aber nicht gerade einfach, die junge Krankenschwester, was?« Julia schob ihren Stuhl ein Stück nach hinten und fasste, während sie im Büro auf und ab ging, die Worte zusammen:
»Also, Hundekehlsee, Vorsicht, Bedrohung, Kinder gehören wohl zusammen und Info, Gesundheit, Klinik, Schließfach, Berlin, Bahn, Ebene drei.« Lehmann stand auf, schloss sich ihrem Laufdrang in entgegengesetzter Richtung an und vervollständigte:
»Komme mir schon vor wie Sherlock Holmes, also, Watson, ich kombiniere: Die Kinder von Frau Schröder werden bedroht, daher
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