Zersetzt - Thriller (German Edition)
zu Gesicht bekommen.« Je weiter sie sich dem Haus näherten, umso weniger Deckung boten ihnen die jetzt nur noch vereinzelt stehenden Bäume. Sie rannten zu dem Fliederbusch, der ihnen als letzter Sichtschutz vor der Terrasse diente. Julia blickte an eines der oben gelegenen, gewölbten Sprossenfenster und sah einen Schatten.
»Da oben ist einer!« Gleichzeitig zog sie Felix tiefer ins Gebüsch.
»Versteck dich, ich s-s-schau mal, wie wir ins Haus gelangen können.« Felix wartete, mit Blick auf das oberste Fenster gerichtet, einen Moment ab und spurtete dann zur Villa. Er schlich eng an der Hausmauer entlang um die nächste Ecke. Währenddessen sah Julia sich um und entdeckte am Seeufer einen Steg und ein Bootshaus. Das wäre doch das ideale Versteck, wir sollten dort … Ihre Gedanken wurden durch das Winken von Felix unterbrochen. Julia flitzte über den gepflegten Rasen an den Rosenranken vorbei auf die Terrasse.
»Einige Fenster waren gekippt. Ich nehme an, dass die Maler s-s-sie zwecks Lüftung aufgelassen haben. Aber für dich hab ich die Terrassentür geöffnet. Und s-s-so wie es aussieht, ist die Alarmanlage ausgeschaltet«, flüsterte Felix.
Die antiken Möbelstücke waren mit durchsichtigen Abdeckplanen geschützt. Der Geruch von Farbe und Lösungsmitteln lag in der Luft. Frisch abgeschliffen und neu versiegelt, dachte Julia, als sie über den matt glänzenden Parkettboden schlich. Das Holz ächzte unter jedem ihrer Schritte. Tapeten, Farbeimer und das übrige Renovierungsmaterial waren in einem Zimmer neben der ausladenden, geschwungenen Treppe fein säuberlich verstaut.
»Die haben längst Feierabend, um diese Uhrzeit. Lass uns m-m-mal nach oben gehen.« Auch die Holztreppe bestätigte lautstark mit jeder erklommenen Stufe ihre Gegenwart.
»Mist«, bemerkte Felix leise, nachdem er versucht hatte, den letzten Absatz geräuschlos zu überwinden. An den langen Flur grenzten sechs Zimmertüren. Julia und Felix teilten sich auf.
»Sei vorsichtig und mach dich bemerkbar, wenn du etwas Verdächtiges s-s-siehst.«
Der erste Raum, den Julia betrat, musste das Schlafzimmer sein. Das Bett stand in Einzelteilen in einer Ecke, und über dem großen Kirschbaumschrank hing ein weißes Laken, das nur einen Teil verdecken konnte. Die nächste Tür klemmte und Julia musste zum Öffnen ihre Schulter dagegen drücken. Was ist denn das? An der Decke und im kompletten Raum waren umhüllte Gegenstände verteilt. Die vollständig von milchigen Planen verdeckten Objekte erschwerten den Durchgang. Julia drückte sich an den Gebilden vorbei. Sie spürte einen Luftzug. Die Tür knallte ins Schloss. Ruckartig drehte sie sich um. Nichts. Aus der anderen Zimmerecke hörte sie das Knistern, das nur durch das Berühren der Plastikverpackungen kommen konnte. Felix? Sie quetschte sich in Richtung Fenster und sah eine schemenhafte Gestalt. Julia spürte das große Zittern, das ihren Oberschenkel bereits in Beschlag genommen hatte. Ihre Muskeln waren nicht mehr unter Kontrolle, und so schlug ihr Bein rhythmisch gegen die nahegelegene Umverpackung. Sie versuchte die Umhüllung festzuhalten, doch sie rutschte nach unten. Ein augenloser, hohler Schädel glotzte Julia entgegen. Sie stolperte vor Schreck einen Schritt nach hinten und rempelte das hinter ihr stehende hohe Gebilde an. Es fiel um und krachte auf den benachbarten kleineren Gegenstand, der den danebenstehenden ebenfalls mit zu Boden riss. Julia verursachte einen Riesenlärm. Geschockt und mit zittrigen Händen stand sie da, sah auf das geöffnete Fenster und auf den Vorhang, der sich im Wind bewegte. Das war kein Mensch vorhin am Fenster. Hier zieht es einfach nur und der Schädel gehört zu einem Plastikskelett, na bravo, Julia.
Einige Sekunden später wurde die Tür schwungvoll geöffnet.
»Was ist denn hier los, hast du den Lärm verursacht?«, fragte Felix erstaunt, als er das Chaos erblickte.
»Klar, wer sonst«, antwortet Julia und machte sich daran, das Wirrwarr zu beseitigen.
»Was s-s-steht denn hier alles herum?« Felix half Julia beim Aufräumen und sah sich die Kunstgegenstände und medizinischen Produkte an.
»Ich habe alle Räume durch. Da ist niemand«, berichtete er.
»Am See gibt es ein Bootshaus.«
»Lass uns erst m-m-mal den Keller begutachten.« Felix schloss die Tür, schaltete sein Smartphone ein und versuchte auf dem Weg in den Keller Herrn Lenz zu erreichen.
»Immer noch nichts. Nur die M-M-Mailbox«, informierte er Julia und steckte
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