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Zerstöre mich

Zerstöre mich

Titel: Zerstöre mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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Stützpunkt bin, gehe ich nach unten.
    Ignoriere die salutierenden Soldaten, an denen ich vorbeikomme, verschwende keinen Gedanken auf die Mischung aus Neugier und Argwohn in ihrem Blick. Erst als ich wieder im Stützpunkt ankam, merkte ich, wohin es mich zog; mein Körper scheint besser als mein Geist zu wissen, was ich jetzt gerade brauche. Meine Schritte sind schwer, und die Absätze meiner Stiefel hallen auf dem Steinboden wider, als ich im Untergeschoss ankomme.
    Seit beinahe zwei Wochen war ich nicht mehr hier.
    Der Raum ist inzwischen wiederhergestellt worden; man hat die Glasscheibe und die Betonwand ersetzt. Und soweit ich weiß, war Juliette die letzte Person, die diesen Raum benutzt hat.
    Ich selbst hatte sie hierhergebracht.
    Ich gehe durch die Schwingtüren in die Umkleidekabine neben dem Simulationspult. Taste im Dunkeln nach dem Schalter; das Licht piept ein Mal, bevor es aufflackert. Bis auf das dumpfe Brummen der Geräte ist hier unten alles still.
    So mag ich es am liebsten.
    Ich ziehe mich so schnell um, wie es mit meinem verletzten Arm möglich ist. Zwei Stunden Zeit habe ich noch bis zu dem Essen mit meinem Vater. Ich müsste eigentlich nicht nervös sein, bin aber extrem angespannt. In letzter Zeit scheint mich alles zu überfordern. Meine Fehler. Meine Feigheit. Meine Dummheit.
    Manchmal habe ich dieses Leben vollkommen satt.
    Ich stehe barfuß auf dem Betonboden, nackt bis auf die Armschlinge, und bin komplett entnervt darüber, wie langsam ich durch diese Verletzung bin. Nehme die Shorts aus dem Spind. Lehne mich an die Wand, um sie so schnell wie möglich anzuziehen. Dann klappe ich den Spind zu und gehe in den angrenzenden Raum.
    Drücke einen weiteren Schalter, und das Hauptpult erwacht zum Leben. Die Bildschirme piepen und flackern, als sich alles einschaltet. Meine Finger streichen über die Tastatur.
    Wir benutzen diesen Raum für Simulationen.
    Mittels Technologie erschaffen wir Umgebungen und Erfahrungen, die ausschließlich in der menschlichen Vorstellungskraft existieren. Das gelingt uns detailgetreu. Geräusche, Gerüche, falsches Vertrauen, Paranoia. Das Programm wurde ursprünglich entwickelt, um Soldaten für bestimmte Missionen auszubilden und auch, um ihnen bei der Bewältigung von Ängsten zu helfen, die sie ansonsten im Kampf behindern würden.
    Ich benutze das System für meine eigenen Zwecke.
    Bevor Juliette im Stützpunkt eintraf, habe ich mich ständig hier aufgehalten. Das war mein Rückzugsort, mein einziges Versteck vor der Welt. Ich wünschte nur, dass man nicht diese vorgeschriebene Kleidung dazu bräuchte. Diese Polyester-Shorts sind kratzig und unbequem. Aber der Stoff ist mit einer bestimmten Chemikalie getränkt, die mit meiner Haut reagiert und die Sensoren mit Informationen speist; sie verstärkt das Erleben und ermöglicht es mir, kilometerweit zu laufen, ohne jemals auf Grenzen zu stoßen wie in der realen Welt. Damit der Prozess möglichst effektiv ablaufen kann, muss ich allerdings bis auf diese Shorts unbekleidet sein. Die Kameras sind fein abgestimmt auf Körpertemperaturen und funktionieren am besten ohne störende Textilien.
    Ich hoffe, dass man diese Schwäche des Programms bei der nächsten Version beheben kann.
    Der Bildschirm verlangt Daten von mir, und ich gebe rasch einen Code ein, der mir den Zugang zu all meinen früheren Simulationen ermöglicht. Während der Rechner die Daten verarbeitet, drehe ich mich um und betrachte den reparierten Einwegspiegel, durch den man in den Hauptraum blicken kann. Ich kann immer noch nicht fassen, dass es Juliette gelungen ist, eine Wand aus Glas und Beton zu durchbrechen und dabei unverletzt zu bleiben.
    Unglaublich.
    Der Computer piept zweimal, und ich drehe mich rasch um. Meine Dateien sind geladen und betriebsbereit.
    Ihre Akte ist die erste auf der Liste.
    Ich hole tief Luft, versuche die Erinnerung zu verdrängen. Ich bereue es nicht, dass ich ihr diese grauenhafte Erfahrung zugemutet habe; hätte ich diese wirkungsvolle Methode zur Provokation nicht angewandt, dann hätte Juliette es sich vielleicht nie erlaubt, die Beherrschung zu verlieren – und ihren eigenen Körper endlich in Besitz zu nehmen. Im Endeffekt hat es ihr vermutlich geholfen, und genau das war meine Absicht. Ich wünschte nur, sie hätte mir nicht kurz darauf eine Pistole unter die Nase gehalten, um dann aus dem Fenster zu klettern.
    Ich atme langsam ein, um mich zu beruhigen.
    Und suche die Simulation aus, wegen der ich hergekommen

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