Zerstörte Seelen
offenbar kein Sterbenswort an die Presse gedrungen war.
In Ermangelung neuer Informationen über die Explosion behalfen sich die Reporter damit, ihren Lesern Meldungen über «das neue und explosionsartige Wachstum» von Drogenlaboren in Privathäusern und Wohnwagen aufzutischen.
Das Ganze war ein einziges großes Lügengespinst. Ein brillantes Lügengespinst. Die FBI -Sprecherin hatte die Explosion geschickt erklärt. Derzeit häuften sich Berichte über Methamphetamin. Die Droge war billig und von Leuten, die sich damit halbwegs auskannten, leicht herzustellen. Häufig wurden die Labore allerdings von bedröhnten Junkies betrieben, die nicht die geringste Ahnung hatten, wie man hochgradig gefährliche Chemikalien wie wasserfreies Ammoniak richtig aufbewahrte. Wenn ihnen nicht gerade dieses Zeug um die Ohren flog, verschütteten sie eine andere leicht flüchtige Verbindung oder machten sonst irgendwelche Fehler, und –
rums
– schon musste die Polizei warten, bis tödliches Phosphin sich verflüchtigt hatte, bis sie nach den Leichenteilen suchen konnte.
Das Lügengespinst erfüllte seinen Zweck. Die Rizzo-Geschichte war nur in New Hampshire und im benachbarten Massachusetts bekanntgeworden, aber nicht darüber hinaus. Die anderen Bundesstaaten hatten eigene Probleme, mit denen sich die Zeitungen füllen ließen. Außerdem konnte man die Öffentlichkeit mit endlosen Artikeln über die Schweinegrippeepidemie verunsichern, die, wenn man den zitierten Experten glauben durfte, das ganze Land in eine apokalyptische Szenerie der Sorte verwandeln würde, wie sie Stephen King in
The Stand – Das letzte Gefecht
beschrieben hatte.
Darby stellte sich Special Agent Collier und ihre PR -Kohorten vor, wie sie in ihrem Büro standen, sich gegenseitig auf die Schultern klopften und gratulierten, weil sie wieder einmal mit Erfolg eine Geschichte in die Welt gesetzt hatten, mit der man der Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen konnte.
Warum war die Wahrheit unter den Teppich gekehrt worden? Weil Saringas benutzt worden war? Falls davon etwas durchsickerte, würde das den Hotels in New Hampshire glänzende Geschäfte bescheren. Ein riesiges Heer von Medienvertretern aus dem ganzen Land würde dort einfallen, um Informationen aus erster Hand über einen Chemieangriff auf amerikanischem Boden – vermutlich den ersten überhaupt – zusammenzutragen.
Als noch viel brisanter konnten sich allerdings die Ereignisse im Haus der Rizzos erweisen. Nicht auszudenken, wenn diese Geschichte ans Licht kam.
Ladys und Gentlemen, soeben wurde bestätigt, dass die Rizzos von einem Mann als Geiseln genommen wurden, der behauptete, Charles, der Sohn der Familie, zu sein, der vor zwölf Jahren spurlos verschwunden ist. Die einzige Augenzeugin, die das furchtbare Drama überlebt hat, ist Dr. Darby McCormick, eine frühere Ermittlerin der Bostoner Crime Scene Unit
CSU .
Darby vermutete, dass man sie aus diesem Grund so lange auf der Quarantänestation festgehalten hatte. Die Feds hatten Zeit gebraucht, um eine vergleichsweise harmlose Story zu lancieren und die Medien damit abzuspeisen. Neun Tage später waren sie bereit, die einzige Augenzeugin ziehen zu lassen – vorausgesetzt, sie unterzeichnete einen dicken Stapel juristischer Einlassungen, die sie davon abhalten sollten, mit irgendjemandem zu sprechen. Sie war die unbekannte Variable in diesem Spiel – diejenige, die alles auffliegen lassen konnte.
Und Charlies Notruf? Was war aus dem geworden? Alle Anrufe bei der 911 wurden mitgeschnitten, häufig sogar veröffentlicht. Aber dieser nicht. Vermutlich hatten die Feds das Band konfisziert. Und die Audio- und Videoaufzeichnungen aus der mobilen Einsatzzentrale? Waren sie ebenfalls beschlagnahmt worden? Sie musste in New Hampshire jemanden finden, der einer diskreten Unterhaltung mit ihr nicht abgeneigt war.
Darby ging noch mal auf Google und gab die Worte ein, die sie auf dem Nacken des Dings gelesen hatte. Die Suchergebnisse für den Ausdruck
Et in Arcadia ego
füllten viele Seiten. Die meisten Treffer bezogen sich auf Gemälde eines klassischen französischen Malers namens Nicolas Poussin. Darby fand heraus, dass der 1594 geborene Franzose zwei wichtige Gemälde geschaffen hatte, auf denen Schafhirten um ein Grabmal gruppiert waren. Die bekanntere der beiden Versionen hing im Louvre in Paris.
Weitaus mehr interessierte Darby die Bedeutung der Worte. Dazu gab es unendlich viele Treffer und seitenlange, zum Teil sehr
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