Zerstörte Seelen
Vorposten in der Provinz versetzen. Dass er sich Sorgen machte, lag auf der Hand. Seltsam war nur, dass er versucht hatte, zur Wagentür zu gelangen. Ganz so, als ob er jemanden anrufen und diese Person wissen lassen müsste, wohin sie ging.
Aber wozu? Schließlich hatte man einen Peilsender in ihrer Jacke platziert. Im Moment steckte er in der Tasche ihrer Jeans und sendete sein Signal aus. Tony Soprano musste sich eigentlich keine Gedanken machen. Trotzdem hatte er anscheinend Angst gehabt, sie aus den Augen zu verlieren, und dies durch eine Bewegung verraten, als wolle er über Funk jemanden verständigen oder Verstärkung anfordern.
Darby sah sich am Ende der Charles Street nach einem Taxi um. Dabei dachte sie über den Peilsender nach. Dass die Feds ein Gerät dieser Bauart benutzten, konnte sie sich durchaus vorstellen. Das Ding war vom Feinsten, es sendete ein Funksignal an einen Computer in der Nähe. Aber die Installation war schlampig gewesen. Und Schlamperei konnte man den Feds im Allgemeinen nicht vorwerfen. Wären die Feds in ihr Apartment eingedrungen, dann hätten sie Fotos gemacht und dafür gesorgt, dass am Ende alles wieder genauso aussah wie zuvor. Und sie hätten die Naht der Jacke nicht offen gelassen.
Aber vielleicht ging dieser Pfusch gar nicht auf das Konto der Feds. Vielleicht steckte jemand anderes dahinter. Zum Beispiel einer der Männer, die sie im Haus der Rizzos gesehen hatte. Einer, der wusste, dass sie am Leben war, und der nun sehen wollte, wohin sie ging und was sie tat.
26. Kapitel
Um Viertel nach acht trat Darby zum ersten Mal seit ihrer Suspendierung durch die Drehtür der Bostoner Hauptpolizeiwache. Sie strich sich das Haar aus den Augen. Draußen war es furchtbar windig gewesen, und sie hatte nicht daran gedacht, vor dem Verlassen des Apartments ihr Haar im Nacken zusammenzubinden.
In der Eingangshalle aus dunkelbraunem und gelbem Marmor herrschte rege Betriebsamkeit. Die Telefone auf dem Empfangstisch klingelten. Streifenpolizisten, Detectives in Zivil, aber auch eine Handvoll Anwälte, die Darby kannte, standen in kleinen Gruppen zusammen. Sie sah viele vertraute Gesichter und fing auf dem Weg zur Sicherheitskontrolle mehr als einen verwunderten Blick aus müden, geröteten Augen auf.
An der Sicherheitsschleuse saß ein kugelbäuchiger blau Uniformierter auf einem unbequemen Stuhl. Sein Name war Chet Archer, und er schob seit Anfang des Jahres Dienst am Checkpoint. Der Job war bei Streifenpolizisten, die bei der Dienstausübung verletzt worden waren und nicht in Frührente gehen wollten, sehr beliebt. Abends um diese Zeit hatte man es hier recht gemütlich. Man parkte seinen Hintern auf dem Hocker, blickte gelegentlich auf, überprüfte den Dienstausweis eines Cops oder eines Labortechnikers, winkte ihn durch und las wieder in seinem Buch oder seiner Zeitschrift. Oder man verdaddelte seine Zeit mit einem tragbaren Videospiel – so wie Chet.
«Gutes Spiel?»
Chet blickte auf.
«Blackjack», sagte er. «Ich fahre am Wochenende mit meiner besseren Hälfte nach Foxwoods und muss noch ein bisschen üben.»
Chet beugte sich nach vorn und studierte mit zusammengekniffenen Augen den laminierten Ausweis, den Darby an einem Band um den Hals trug. Sie zog die Lederjacke aus und legte sie zum Durchleuchten auf das Fließband des Röntgengerätes.
Chet stand langsam auf. Dabei verzog er gequält das Gesicht.
«Alles in Ordnung mit dem künstlichen Knie?», fragte Darby.
«Ich habe mir grade die andere Seite machen lassen.» Er stützte sich am Röntgengerät ab, um nicht die Balance zu verlieren. «Was führt dich denn hierher, Darby?»
«Ich fange morgen wieder an. Deshalb dachte ich, ich nutze die Ruhe heute Abend und sehe mal nach, was gerade so anliegt.»
«Davon hat mir niemand etwas gesagt.»
«Wahrscheinlich weil Leland mich erst vor einer Stunde angerufen hat.»
«Er ist heute schon weg.»
Das überraschte Darby nicht, dann Leland hatte sie vom Handy aus angerufen. Leland Pratt, der stets effiziente Bürokrat und Staatsdiener, machte immer exakt um 16.30 Uhr Feierabend.
Chet sagte: «Ohne seine Genehmigung kann ich dich nicht reinlassen.»
«Dann ruf ihn an.» Darby warf einen Blick auf das Telefon, das hinter Chet an der Wand hing.
«Ich habe weder seine Handynummer noch seine Privatnummer.»
«Kein Problem. Ich kenne beide auswendig. Sag mir einfach, wenn du so weit bist.»
Chet trat unentschlossen von einem Bein aufs andere. Wenn es darum ging, einem
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