Zerstörter Traum vom Ruhm
Rücksendung sofort zu überweisen.
Mit dem Ende einer Pinzette, mit der er sonst die Bilder aus der Entwicklerschale holte, schlitzte er den Brief auf. Ein rotgoldener Briefkopf. Balkenschrift. Als Firmenzeichen eine moderne Grafik.
»Lieber Herr v. Poltecky …«
Franz Schuster hängte die Pinzette an den Schalenrand. Sie zitterte plötzlich. Dann las er weiter, und als er zu Ende war mit dem kurzen Brief, las er ihn noch einmal, so wie man im Märchen beim ersten Male nicht verstehen kann, daß Rotkäppchen allein durch den dunklen Wald geschickt wird.
»Wir haben Ihren Drehbuchentwurf gelesen und sind sehr angetan. Er scheint uns der Vorwurf eines wirklich spannungsreichen Filmes zu sein.
Wir wären nicht abgeneigt, diesen Stoff zu übernehmen, zumal unsere Dramaturgie in der filmischen Auswertung Ihrer Idee viele Möglichkeiten sieht. Bei einer ersten Besprechung wurde der Film mit ca. DM 1.300.000,- veranschlagt.
Sie werden verstehen, daß diese Summe für eine junge, aber wagemutige Firma wie unsere sehr hoch ist. Wir sind auf private Geldgeber, Kredite, langfristige Schuldverschreibungen usw. angewiesen. Wir wären aber in der Lage, die Drehbuch- und Dreharbeiten zu forcieren, wenn Sie die Möglichkeit hätten, sich am Risiko zu beteiligen. Für eine Beteiligung von DM 14.000,- könnten wir Ihnen bei honorarfreier Abgabe des Drehbuches und der Idee eine zehnprozentige Beteiligung am Gewinn zusichern. Das wäre das Vielfache Ihres Honorares. Bitte geben Sie uns bald Nachricht, wie Sie zu diesem Vorschlag stehen. Wir begrüßen Sie hochachtungsvoll
Herwig Walker Astoria-Film AG Hamburg.«
Franz Schuster legte den Brief auf die Glasplatte unter dem Vergrößerungsapparat. Welche Chance, dachte er. Aber welche sinnlose Chance! Woher soll ein kleiner Drogist die wahnsinnige Summe von 14.000,- DM nehmen?
»Da kommt nun eine Möglichkeit, und wieder ist es Mist!« sagte er laut. Herr Meyer, der Chef, der gerade im Nebenraum eine Flasche mit Salmiak abfüllte, steckte den Kopf in das Fotolabor.
»Was ist Mist?« fragte er.
»Das Leben …«
»Nanu?« Herr Drogist Meyer stellte seinen Salmiak auf ein Regal und kam in den kleinen Fotoraum. »Wieder alle Manuskripte zurückbekommen?«
»Das wäre kein Mist, sondern eine Alltagserscheinung. Nein – man will einen Film nach meiner Idee drehen!«
»Gratuliere!« rief Herr Meyer. »Ich wußte, in Ihnen steckt ein Avantgardist!« Er liebte es, Fremdwörter zu gebrauchen, und es war immer irgendwie feierlich in seinem Gemüt, wenn er sie wählte. »Sie werden eines Tages berühmt sein, Herr Schuster.«
»Ich bin der unglücklichste Mensch, der heute vor einem Vergrößerungsapparat sitzt!« Franz Schuster zeigte auf den Brief. Herr Meyer beugte sich über dessen Schulter und las mit sichtlichem Interesse das Schreiben der Astoria-Film AG.
»14.000,- DM!« sagte er feierlich.
»Soll ich geben.«
»Die Leute sind verrückt!«
»Vielleicht ist das beim Film so üblich, ich weiß es nicht. Es ist meine erste Begegnung mit einer Filmproduktionsgesellschaft.«
Herr Drogist Meyer schob sich von Schuster weg und wich zur Tür zurück. »Für einen Drogisten ist solch eine Summe utopisch«, sagte er, allen Versuchen um Kredit gleich vorbeugend. »Vielleicht gehen Sie damit mal zu Ihrer Sparkasse?«
»Bei der habe ich 500 DM drauf. Für eine Sommerreise. Vierzehn Tage an die Adria.«
»Legen Sie diesen Brief vor. Wenn die Firma kulant ist …«
»Die Astoria-Film AG – ich bitte Sie, Herr Meyer.«
»Namen sind Schall und Rauch.«
»Sehen Sie sich bloß den Briefkopf an! Eine solide Firma!«
»Sparkassen und Banken steigen gern ins Filmgeschäft ein. Das habe ich mal gelesen. Mehr als nein können sie ja nicht sagen. Ich würde es probieren.« Meyer nahm seine Flasche mit Salmiak vom Regal, hüstelte, weil er sie zu sehr schüttelte und der Salmiakdampf in seine Nase stieg, und nickte Franz Schuster ermutigend zu. »Ich wünsche Ihnen viel Glück. Für die Sparkassen sind 14.000,- DM ein Klacks!«
Es zeigte sich in den folgenden Tagen, daß dieser Klacks sehr gehegt und gepflegt wurde. Die Kreditabteilung der Sparkasse verlangte Sicherheiten, eine Bank wollte eine Aufstellung über das Grundvermögen des Antragstellers.
»Meine Herren«, sagte Franz Schuster nach zehn Tagen sinnlosen Formularausfüllens, »wenn ich das alles hätte, was Sie von mir als Sicherheiten verlangen, brauchte ich keinen Kredit von Ihnen. Ich bin ein armer kleiner Drogist, und was
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