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Zerstörter Traum vom Ruhm

Zerstörter Traum vom Ruhm

Titel: Zerstörter Traum vom Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bewegte Bild. Ob sie verstand, was sie sah, wußte niemand. Man hatte nur beobachtet, daß bei bestimmten Musikstücken ihr Gesicht heller wurde, ein Lächeln über ihre Lippen glitt oder ihre Augen die Stumpfheit verloren und belebter wurden.
    Am Mittag des Prozeßtages lag sie schwer atmend im Bett. Alle Beruhigungsinjektionen waren wirkungslos geblieben. Sie starrte auf die Uhr über der Tür und wartete. Ihre Hände tasteten über die Bettdecke oder rissen an einem Taschentuch, das sie zwischen den Fingern hielt.
    »Wenn mein Vater anruft – ich will selbst mit ihm sprechen!« sagte sie.
    Es war der erste Satz seit Tagen.
    Der Chefarzt eilte sofort ins Zimmer.
    Julia Opperberg saß in ihrem Bett. Die Schwester, die man ihr zur alleinigen Betreuung gegeben hatte, stand mit großen Augen neben der Tür und hob die Arme, als der Chefarzt hereinkam.
    »Sie sitzen ja!« sagte er verblüfft. »Wer hat Sie denn aufgerichtet?«
    »Sie hat sich selbst hochgesetzt«, sagte die junge Schwester. »Ich habe es nicht getan.«
    »Das ist doch unmöglich!« Der Chefarzt trat an das Bett heran. Julia wandte den Kopf ab. Der erste Satz seit Tagen, den sie gesprochen hatte, war auch der letzte. Sie sah durch den Arzt hindurch, als sei er aus Glas, als er sich vorbeugte und ihr in die Augen sah.
    »Wie haben Sie sich gesetzt?« fragte der Arzt eindringlich. »Ich bitte Sie – sagen Sie mir, haben Sie sich aus eigener Kraft gesetzt? Wir wollen Sie doch gesund machen!«
    »Sie hat sich plötzlich aufgerichtet – und dann saß sie – mit den Händen hat sie sich abgestützt …«, stotterte die junge Schwester. »Ich wollte zu ihr – aber sie winkte ab und sagte: ›Es geht schon‹!«
    »Stimmt das, Fräulein Opperberg?« Der Chefarzt atmete hastig. Mein Gott, dachte er, wenn sie sich setzen kann, wenn diese vollständige Lähmung zurückgegangen ist, dann werden vielleicht auch die Beine …
    »Bitte, stehen Sie auf!« schrie der Chefarzt. Julia zuckte unter dieser befehlenden Stimme zusammen, aber sie blieb sitzen und biß die Zähne zusammen. Man sah es an den Backenknochen, die spitz durch die Haut stachen.
    »Warum machen Sie es uns so schwer?« fragte der Arzt. Er setzte sich an das Bett und nahm Julias schlaffe Hand in die seine. »Sie könnten längst wie alle anderen jungen Mädchen die Schönheit der Welt genießen und in Wäldern herumlaufen, in der See schwimmen oder auf Berge klettern, wenn Sie nur wollten! Ihre Krankheit liegt in Ihrer Seele. Warum sperren Sie sich gegen uns?«
    Julia gab keine Antwort. Sie saß hochaufgerichtet im Bett und starrte gegen die weiße Wand. Der Chefarzt sprach über eine halbe Stunde – er hatte das Gefühl, gegen eine Wachspuppe zu sprechen. Dann stand er auf, hob die Schultern und verließ schnell, verärgert und mit der Einstellung, brüskiert worden zu sein, das Krankenzimmer. Als die Tür zuklappte, wandte Julia den Kopf wieder zu der jungen Schwester.
    »Wenn mein Vater aus Hamburg anruft«, sagte sie leise, »vergessen Sie nicht …«
    Zwei Stunden später – zwei Stunden, in denen Julia unbeweglich im Bett saß und auch den Diener nicht beachtete, der von Bad Honnef herübergekommen war – kam der Anruf aus Hamburg.
    Julia hielt selbst den Hörer in der Hand. Sie war ruhig, und in ihrer Blässe wie aus zerbrechlichem Porzellan, als sie die Stimme Konsul Opperbergs hörte.
    »Ja, Vater?« sagte sie leise. »Ich bin es selbst.«
    Dann schwieg sie und hörte, was Opperberg berichtete. Sie lächelte schwach, aber es war ein Lächeln, das den zarten Körper so von innen her erleuchtete, daß es wie eine Verwandlung des ganzen Menschen wirkte.
    »Ja, ich habe gehört«, sagte sie, als Opperberg zu Ende gesprochen hatte. »Ja – ich bin froh … Ich danke dir, Paps – ich danke dir.«
    Sie legte den Hörer wieder zurück und ließ sich im Bett zurückgleiten, bis sie wieder lag.
    »Er ist freigesprochen«, sagte sie noch immer mit dem seligen Lächeln auf den blutleeren Lippen. »Ich wußte es.« Sie tastete nach der jungen Schwester und drückte ihr die Hand. »Bringen Sie mir etwas Orangensaft – und dann möchte ich schlafen.«
    Der Diener deckte sie zu. Sie lachte ihn an und schob seine Hand weg.
    »Das kann ich jetzt allein«, sagte sie lauter. »Er ist freigesprochen … Ist das nicht schön?«
    »Sehr schön, gnädiges Fräulein.«
    »Morgen komme ich zurück nach Honnef. Ich will wieder zu Hause sein – auf der Terrasse, im Garten, am Rhein … Du holst mich morgen

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