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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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Rettungsversuche nahmen in Glorias Kopf Gestalt an und desto verzweifelter sank sie auf ihrem Stuhl zusammen. Was sollte sie bloß tun? Magnus war ihnen haushoch überlegen. Selbst wenn sie irgendetwas sagen würde, hätte er eine passende Aussage parat; Magnus stand über ihnen, sie konnten ihm nicht das Wasser reichen. – Höchstens Kirt, aber würde er eine Möglichkeit sehen, hätte er sie schon längst ergriffen!
    Tausend Aspekte schossen ihr durch den Kopf, aber Gloria wusste nicht, mit welchen Aussagen sie sich womöglich ein Eigentor schoss und damit alles nur noch verschlimmerte. Doch was machte das für einen Unterschied? Ihre Tage waren längst gezählt. Gloria starrte zu Magnus, sah zu dem Richter und Kirt. Wieder und wieder fesselte Magnus´ Blick den ihren und Kirt schien all seine Anmut verloren zu haben. Für Gloria vernebelte sich die gesamte Szenerie in ein undurchdringliches Abhandeln von Paragraphen, Anhörungen und Darstellungen von Beweismaterial. Sie konnte allerdings in keiner Weise auch nur einen Punkt ausfindig machen, der für Kirt sprach.
    Wieder sah Magnus zu ihr und Gloria fühlte sich unwohl bei seinem Anblick. Kirt hingegen wirkte kaum erreichbar. Er saß weiter von ihr entfernt als Magnus und mit der Zeit steigerte sich in Gloria das Gefühl, als drehte sich alles nur noch im Kreis, bis man Kirt wahrscheinlich verknackte – daran bestand mittlerweile kaum noch ein Zweifel. Traurig schnürte sich alles in ihrer Brust zusammen.
    Da saß er: Der wichtigste Mensch in ihrem Leben; stark, unnahbar und in ihren Augen allwissend. Doch seine Anmut und das Glitzern in Kirts Augen waren verschwunden. Und je länger sie darüber nachdachte, desto bewusster wurde ihr: Stark war Kirt auch nicht mehr. Erneut drehte sich Magnus in ihre Richtung. Gloria wich seinem Blick aus und senkte den Kopf. Sie schaute auf den Boden und spürte einen so dicken Kloß im Hals, dass sie sich kaum noch traute zu schlucken. Ihr wurde immer heißer. Sie durchglitt das Gefühl zu glühen: Gloria war schuld! Sie allein hatte Kirt da hineingerissen!
    Gloria wäre am liebsten aufgesprungen, um alles zu erklären, aber daraufhin hätte man sie wohl in eine geschlossene Anstalt gesperrt! Verdammt noch mal, es musste doch eine Möglichkeit geben, Kirt zu entlasten, ohne sich gänzlich zu verstricken! Gloria starrte fortwährend auf den Boden. Sie hatte das Buch dabei – extra mitgenommen, um nicht gänzlich allein dazustehen. Zögerlich schaute sie zu Kirt und zu dem Richter, als sie leise den Bund ihres Rucksacks öffnete, um das schwere Buch herauszuholen. Verzweifelt verfolgte sie die Reden der Beteiligten; vor allem, wenn Kirt aufgefordert wurde, Stellung zu nehmen. Schnell hatte sie die letzte Seite gefunden, auf der zu ihrer Überraschung tatsächlich ein neuer Text geschrieben stand!
    Bis zur letzten Sekunde
    Wandernde Schatten, gleißendes Licht,
der Stolz in Dir zusammenbricht.
Falsche Gesichter, falscher Schein,
der Hölle dunkles Äugelein.
    Liebe und Ehrlichkeit tragen fort den Sieg,
des Endes Schmerzen er in sich wiegt.
Kannst nicht verstehen ihn, allein voller Sorge,
zu viel geschehen an einem anderen Orte.
    So will er nicht preisgeben, sein Geheimnis erstickt,
kämpfe – egal, ob die Uhr in dir tickt!
     
    »Herr Staatsanwalt, haben Sie noch Fragen an den Angeklagten oder den Zeugen?« Der Richter wirkte auf Gloria vollkommen nüchtern und wertfrei. Sollte es das gewesen sein? Würde er sich gleich zurückziehen und dann das vernichtende Urteil sprechen? Schiere Panik durchzuckte Gloria, raubte ihr jegliche logische Gedankenkette. Sie konnte nicht einschätzen, was Kirt zu befürchten hatte. Gloria besaß keine Zeit mehr, um über das Gedicht nachzudenken oder darüber, was es ihr riet. ‹Kämpfe – egal, ob die Uhr in dir tickt!›
    »Ich würde gern noch etwas sagen!« Glorias Stimme hallte durch den Saal… viel zu laut. Fast schon fremd – als hätte sie sich vor ihrer eigenen Stimme erschrocken. Gloria war wie automatisiert aufgestanden und hatte das Buch auf den Boden gleiten lassen. Verdutzt sah der Richter sie an und Gloria bekam das Gefühl, als glühte ihr Gesicht feuerrot. Kirts entsetzte Blicke deuteten ihr, den Mund zu halten. Magnus wiederum grinste sie verhohlen und gespannt an, während der Staatsanwalt und Kirts Verteidiger ernste Blicke auf sie richteten.
    »Was möchten Sie dem Gericht mitteilen?« Das war die Stimme des Richters, der Gloria mit einer Handbewegung nach vorn bat.

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