Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
Vom Netzwerk:
sämtliche Erlebnisse dieser Frau durch Glorias geistiges Auge rasseln: Alle Gedanken, alle Gefühle; alles, einfach alles!!! »Hallo?« Die Frau sah Gloria entgeistert an. »Stimmt etwas nicht?« Es schien unfassbar!
    Gloria wusste nicht, was geschah. Mit einem Mal erlangte sie die Kenntnis darüber, dass diese Frau extrem unsicher war. Wegen einem dominanten Chef hätte die Verkäuferin vor rund fünf Jahren fast gekündigt, aber dann kam alles anders und jetzt sehnte sie nur noch ihre baldige Rente herbei, die in – Gloria konnte es kaum glauben – drei Monaten anstand… Es riss ihr nahezu den Boden unter den Füßen fort! Was war das? Was sollte das? Was geschah hier?
    »Ist alles okay mit dir?« Gloria fuhr herum und sah Kirt in die Augen. Nichts – wenn sie ihm in die Augen blickte, passierte nichts. Alles war wie sonst auch. Gloria schaute ihn geschockt an. »Ja, klar… Sorry.« »Geh noch mal eine andere Bluse anziehen.« Gloria nickte nur stumm und während sie in die Kabine verschwand, zog Kirt irritiert die Augenbrauen hoch und sah ihr hinterher. Fassungslos schloss Gloria die Tür hinter sich. Sie hatte in die Seele dieser Frau geschaut – direkt durch die Augen ins Herz! In Gloria stieg schiere Panik auf: ‹Willst du´s riskieren, so lies, so wird dir gegeben!› Diese Worte hallten in ihrem Kopf wider und schnürten ihr die Luft ab. ‹Verfluche, was du siehst. Was du weißt, kannst du nicht vergessen… › Irgendwie so hatte es geheißen. Mit zittrigen Händen suchte Gloria nach dem Buch in ihrem Rucksack, als sie Kirts Stimme hörte. »Mach´ mal ein bisschen schneller, ja?« Es klang vorwurfsvoll, aber Gloria hatte Wichtigeres zu tun! Hastig schlug sie die Seiten auf: Da stand das Gedicht, das sie beim letzten Mal gelesen hatte…
     
    Verfluche, was du liest,
verfluche, was du siehst.
Was du weißt, kannst du nicht vergessen,
noch kannst du deine Kräfte mit den meinen messen.
     
    Es war zu spät! – Selbst wenn sie das Buch fortwarf, sie würde nie vergessen, was sie schon jetzt alles wusste. Und nun ergab auch die zweite Zeile einen Sinn: Mit ‹Sehen› war keineswegs ein sterbender Mensch gemeint. Es konnte sich nur um eines handeln – und zwar um das , was sie eben gerade erlebt hatte! Gloria klappte das Buch zu und hielt inne.
    »Was ist denn jetzt nun?« Kirt riss sie aus ihren Gedanken. »Bin gleich fertig.« Schnell schlüpfte sie in irgendeine Bluse und kam vor die Tür. Kirt sah sie prüfend an und Glorias Augen wanderten vorsichtig zu der Verkäuferin. Es war eine nette, ältere Dame und sie begutachtete Gloria schüchtern. Jetzt, nachdem sie vorgewarnt war, schlug ihr die Wucht all jener Gedankenbilder nicht mehr so entgegen wie zuvor. Gloria erkannte Unbehagen und Furcht in der Frau. – Furcht vor ihr… Gloria. Aber warum?
    »Das sieht echt gut aus!« Gloria drehte sich zu Kirt, der sie anlächelte und stellte fest, dass sie selbst noch kein einziges Mal in den Spiegel gesehen hatte. Prüfend begutachtete Gloria ihr Spiegelbild und entdeckte eine top gekleidete, junge Frau – und das war sie! Gloria wirkte tatsächlich wie eine von den Business-Tussis. Ihr Blick wanderte erst fragend zu Kirt, der sie schmunzelnd ansah, und danach erneut zu der Verkäuferin, die Kirts Aussage bestätigte. Sie meinte es sogar ehrlich – das prüfte Gloria plötzlich wie selbstverständlich nach. Hey… dieses neue Sehen war vielleicht gar nicht so schlecht, wie sie zunächst dachte! Gloria musste lächeln. Schnell sah sie die Verkäuferin wieder an und versuchte, gezielt Informationen zu filtern.
    Das war gar nicht so einfach, weil diese Frau eine scheinbar allüberflutende Angst vor den Kunden dieses Kaufhauses besaß. Als Gloria den Grund dafür erahnen wollte, fand sie schnell heraus, dass die Verkäuferin eine generelle Panik vor ihrem Job hatte. Sie kam schon mit einem Gräuel morgens ins Kaufhaus und dachte den gesamten Tag nur an ihren Feierabend; die Arbeit bildete eine unsägliche Last!
    Kirt war plötzlich ganz nah und flüsterte Gloria etwas ins Ohr, als er sie zu sich umdrehte: »Könntest du mal bitte aufhören, die arme Frau dauernd so anzustarren!« Gloria blickte ihn entgeistert an. »Tschuldigung.« »Gefällt´s dir denn wenigstens?« »Äh…« Schnell warf Gloria einen zweiten Blick in den Spiegel und betrachtete sich darin. »Sieht ganz gut aus.« Kirt schaute sie schmunzelnd an und lachte Gloria schließlich sogar ein wenig aus. Dabei schüttelte er den Kopf.

Weitere Kostenlose Bücher