Zerteufelter Vers (German Edition)
war und dichtete so glaubhaft wie möglich Tritte und Schläge hinzu; alles in der Hoffnung, nicht aufzufliegen.
Rommerz hörte ihr geduldig zu, bis Gloria fertig war. »Was schätzt du, wie lange ich schon als Arzt arbeite?« Sein Blick taxierte sie und Gloria zuckte kaum merklich mit den Schultern. »Man muss vielleicht noch nicht einmal Arzt sein, um zu sehen, dass diese Wunden nicht von einer Schlägerei stammen.« Er sah ihr prüfend in die Augen und wartete auf eine Reaktion. Gloria fühlte sich furchtbar. Und sie besaß auch keine Kraft, sich etwas Plausibles einfallen zu lassen. Gloria nickte und gestand, dass sie in Wahrheit einen Verkehrsunfall hatte, sie sich aber schämte und es vor den anderen bei einer Schlägerei belassen wollte. Rommerz schaute sie forsch an.
»Und du willst mir doch wohl nicht etwa weismachen, dass du 18 bist?!« Gloria wurde schwindelig. Was sollte sie nur tun? Sie antwortete nicht und schloss müde die Augen. Gloria merkte, dass das Mittel half, das er ihr gespritzt hatte. Der Schmerz in ihrer Brust erschien nicht mehr ganz so beißend. Ihr Kopf hingegen trieb sie fast in den Wahnsinn. Noch nie hatte Gloria solche Kopfschmerzen gehabt. Ihre Geste fasste Rommerz als Bestätigung dessen auf, dass sie noch minderjährig war. Vorsichtig zog er den Fetzen von T-Shirt wieder nach unten und stand auf.
»Ich bringe dich jetzt ins Krankenhaus. Alles andere wäre unverantwortlich.« Er drückte die Türklinke hinunter und sah nach Kirt, der auf den Treppenstufen gegenüber wartete. »Würden Sie das Mädchen wieder tragen?« Kirt bejahte und schob vorsichtig seine Hände unter Glorias Rücken. Zu Dritt verließen sie das Zimmer und gingen die Treppe hinauf. Der Arzt griff nur noch schnell nach seiner Jacke und dem Schlüssel, ehe er mit ihnen nach draußen ging und die Tür hinter sich schloss. »Wir fahren mit meinem Wagen.« Er wies Kirt die Richtung zu den Garagen und hielt ihm die hintere Autotür auf, so dass Kirt Gloria auf den Rücksitz legen konnte. Während Rommerz die Garagentür öffnete und Kirt den anderen Bescheid gab, überlegte Gloria, was das Buch ihr jetzt schreiben würde…
Immerhin hatte es in dem letzten Gedicht von einem Sinn erzählt, der sich Gloria bislang nicht erschloss. Zu gern würde sie wissen, was es ihr zu sagen hatte. Ein selbstgefälliges Lächeln trat auf ihr Gesicht. Das Buch musste stinksauer sein – da war sie sich sicher. Rommerz fuhr zügig aus dem Wohngebiet heraus. Kirt hatte sich zu ihm nach vorne gesetzt. Sie redeten, doch Gloria bekam nur Bruchstücke mit. Das Mittel, das er ihr gegeben hatte, sorgte anscheinend auch dafür, dass sie unglaublich müde wurde. Und es dauerte nicht lange, bis sie einschlief.
Als sie wach wurde, fand Gloria sich in einem hellen Behandlungsraum wieder. Ihr Blick schweifte durch das Zimmer und sie bemerkte eine Frau, die Pflaster und Kanülen sortierte. Sie hatte nicht mitbekommen, dass Gloria aufgewacht war und verließ den Raum. Gloria seufzte. Sie drehte den Kopf zur Seite und entdeckte mehrere Röntgenaufnahmen vor einer hell erleuchteten Wand. Sie musterte die Bilder, doch erkannte rein gar nichts darauf. Gloria sah auf ihren Bauch. Riesige Verbände stachen ins Auge. Eigentlich schien es gut so, wie alles gekommen war. Sie musste schlicht und ergreifend akzeptieren, wie ihre Karten lagen.
Die Gedanken an das Buch und ihr prophezeites Ende hämmerten augenblicklich wieder in ihrem Kopf… Alle Menschen starben irgendwann; der einzige Unterschied lag darin, dass sie eben das Datum ihres Endes kannte. Na und? Gloria versuchte sich Mut zuzusprechen, doch es gelang ihr nicht. Sie musste den Tatsachen ins Auge sehen. Was sie wusste, konnte sie nicht vergessen – so war es eben. Doch mit Sicherheit ließ das Buch sie mit diesem Wissen nicht allein; wahrscheinlich hatte es bereits ein ach so tolles Gedicht auf Lager, das nur darauf wartete, gelesen zu werden.
Die Tür ging auf und Gloria erkannte sofort den Arzt, der hereingekommen war: Rommerz. »Ah… du bist wach.« Er setzte sich zu ihr auf einen Drehstuhl. »Wie geht es dir?« Gloria spürte keine Schmerzen. Alles fühlte sich verarztet und taub an. »Ich glaube, ganz gut.« Rommerz zeigte auf die Röntgenbilder. »Du hast drei Rippen gebrochen, sehr, sehr viele Blutergüsse, einen Nasenbeinbruch – aber der ist glatt durch – und eine Gehirnerschütterung.« Gloria fragte sich, ob es gut oder schlecht war, wenn eine Nase ‹glatt durch› war…
»Um
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