Zerwüteter Pakt (German Edition)
Kirt Maribell an, deren Augen plötzlich zu funkeln begannen. »Genau das ist es!« Sie trat eng auf Kirt zu. »Das muss es sein.« Enthusiasmus mischte sich mit dem Mut, die schwierige Suche zu beginnen. »Wenn das die Frage ist – müssen wir nach einer Prophezeiung suchen, die genau darauf eine Antwort gibt!« Kirt starrte Maribell an. Das war leichter gesagt, als getan. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Maribell krempelte die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit: Tafel für Tafel las sie durch. Und auch Kirt begann, die Steine zu durchkämmen. Dabei gingen sie nach einem strengen Muster vor, um keine Tafel zu übersehen: Maribell hatte vorausschauend ein Seil mitgenommen, das Kirt entlang der ersten Tafelreihe legte. Wurde eine Prophezeiung für unbrauchbar befunden, stülpten sie das Seil darüber, so dass sich peu á peu zwei Flächen ergaben; nämlich die der gelesenen und die der noch ausstehenden Texte. Betrachtete man allerdings die immense Größe der Lichtung, wurde schnell klar, wie lange Kirt und Maribell brauchen würden, um alle Prophezeiungen durchzulesen!
Immer wieder rief sich Kirt ins Gedächtnis, worüber Gloria mit ihm häufig gesprochen hatte und welche Worte sie wählte. Womöglich lag darin der einzige Hinweis, die richtige Weissagung zu finden. Und so rutschten Kirt und Maribell den gesamten Tag auf den Knien von Stein zu Stein, um deren Inschriften zu entziffern. Die Dunkelheit gestaltete die Suche zusätzlich schwierig. Nicht, dass die Augen eines Engel zu schwach wären, in fast gänzlicher Finsternis zu sehen… Aber die stete Dunkelheit ermüdete nach geraumer Zeit. Immer wieder hob Kirt das Seil empor, um es über einen Stein zu spannen, als ihm plötzlich ein Text auffiel, dessen Inhalt möglicherweise auf Gloria zutraf.
»Maribell?« Kirt erhob sich und schaute nach seiner Großmutter, die auf der gegenüberliegenden Seite suchte. »Ja?« Sie lief zu ihm und schaute auf die Steintafel, die Kirt gefunden hatte:
Die Zeit wird kommen, in der sich die Wasser spalten. Herbeigesehntes Engelsgesicht, von Wut getrieben, von Mut gestärkt. Die glückliche Wahrheit wird niemals auffindbar sein, solange die Lüge jene stete Begleiterin ist. Von Zwietracht verfolgt, kreuzen sich die Wege zweier Wesen, von Luft und Wasser vereint.
Maribell las die Zeilen aufmerksam durch. In der Tat gab es gleich mehrere Hinweise auf Glorias Situation: ‹Herbeigesehntes Engelsgesicht, glückliche Wahrheit, von Mut gestärkt…› Doch Maribells Bauchgefühl sagte, dass diese Weissagung zwar vielleicht in die engere Auswahl gezogen werden konnte, doch letztendlich wohl nicht die richtige sein würde. Kirt strich mit den Fingern über den Text. »Was denkst du?«
Maribell wirkte unentschlossen. »Es könnte natürlich möglich sein…« Doch nun schüttelte sie den Kopf. »Markiere den Stein, so dass wir auf diese Tafel zurückkommen können. Aber ehrlich gesagt passen einige Stellen nicht. Ich kann mir zum Beispiel keinen Reim darauf machen, welches Luftwesen in Glorias Leben eine Rolle spielen sollte. Soweit ich weiß, hat sie diese Welt bislang nicht einmal betreten.« Kirt nickte. Auch er hatte in letzter Konsequenz nicht daran geglaubt, nach sechs Stunden Arbeit bereits die richtige Prophezeiung gefunden zu haben.
Unermüdlich suchten Kirt und Maribell somit weiter. Und immer wieder hielten beide inne, wenn sie glaubten, eine passende Vision gefunden zu haben. Doch eines lag auf der Hand: Erst wenn alle Steintafeln angesehen waren, konnte ein Urteil möglich sein! Die Suche ging also weiter. Und es würde Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, bis sie gemeinsam alle Steintafeln inspiziert hatten! In der andauernden Dunkelheit spürte man kaum, wie die Zeit verrann. Denn mittlerweile war auch in der menschlichen Welt die Nacht hereingebrochen.
Es war halb zehn Uhr abends und Gloria saß zusammen mit Kitty in einer Bar. Eigentlich wollten sie sich mit Sebastian treffen, doch er hatte kurzfristig abgesagt. – Wer da wohl die Finger im Spiel hatte? Gloria rührte missmutig mit dem Stil eines Papierschirmchens in ihrem Cocktail herum. Kitty entging Glorias seltsame Stimmung nicht. »Hast du was? Du wirkst so abwesend.« Gloria schaute verdattert auf. Sie war mit ihren Gedanken woanders gewesen. »Nein, nichts.« In Wahrheit aber plagte sie ein schlechtes Gewissen, denn nachdem Gloria Kitty eigenhändig heute Morgen bei ihrem Vermieter madig gemacht hatte, musste sie zusammen mit Melina ihr
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