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Zerwüteter Pakt (German Edition)

Zerwüteter Pakt (German Edition)

Titel: Zerwüteter Pakt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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niemand anderes als der Papst selbst den Inbegriff des Teufels. Dessen Treiben konnten auf Kosten des Volkes nur ausgelebt werden, weil die Menschen nie der biblischen Sprache mächtig gewesen waren. Indem Luther das Neue Testament als seine ‹Frohe Botschaft› ins Normalverständliche übersetzte, fehlte dem Papst ein wichtiges Druckmittel, um den Menschen Angst einzujagen.
    Daher kam es zu dem Ausspruch, dass Luther den Teufel – also den Papst – mit Tinte bekämpfte. Denn indem er die Bibel übersetzte, wurde das Volk aufgeklärt. Heute würde man vielleicht einen Kugelschreiben oder gar den Computer verwenden – damals war es eben Tinte. Luther bekämpfte also durch die Aufklärung des Volkes den Papst. Gleichzeitig wurde seine Übersetzung zur ersten verbindlichen, deutschen Schriftsprache.« Die Dame machte eine kurze Pause und sah neckend zu Gloria.
    »Doch Sie sehen an besagter Stelle auch, dass das Mauerwerk beschädigt ist. Woher kommt das?« Die junge Frau erwähnte den in der Lutherstube abgebröckelten Putz, ehe sie den Faden wieder aufnahm: »Wie bereits gesagt, nahm das Volk die Aussage wörtlich, dass Luther den Teufel mit Tinte bekämpfte. Der Sage nach war ihm, wie schon erwähnt, der Teufel nachts erschienen und Luther soll ein Glas Tinte nach ihm geworfen haben.« Sie lachte kurz und fuhr fort:
    »Solche Geschichten verbreiteten sich damals natürlich rasend schnell. Und zig Jahre später, nämlich im 17. Jahrhundert, legte man schließlich einen künstlich erzeugten Tintenfleck an, um die Wahrheit der Geschichte zu unterstreichen. Alle Welt pilgerte fortan zur Wartburg, um den Tintenfleck zu bestaunen. Doch es blieb nicht nur beim Bewundern… Die Pilger kratzten kleine Bereiche aus dem Putz heraus, um sich ein Stück des Tintenflecks mitzunehmen. So kam es, dass man den Fleck stetig nachrüstete und auf diese Weise wurde das Mauerwerk beschädigt.«
    Gloria musste grinsen. Auf welch dumme Ideen Menschen kamen, wenn man ihnen nur die passende Geschichte dazu erzählte… Andererseits gehörte sie selbst wohl zu den Dümmsten, denn sie glaubte mittlerweile so einiges Kurioses. Welche Zusammenhänge zwischen dieser Sage und dem roten Teufelsspruch Bestand hatten, galt es nun herauszufinden! Die Frau kam langsam zum Ende ihrer Geschichte:
    »Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert legt man keinen Tintenfleck mehr an. Zwar stimmt es, dass Luther in diesen Räumlichkeiten die Bibel übersetzte und somit den Teufel mit Tinte bekämpfte… Ob ihm allerdings wirklich ein dunkler Lord erschien, überlasse ich ganz Ihrer Fantasie.« Die junge Frau lachte und klatschte in die Hände, um den nächsten Raum anzusteuern. Die Traube an Menschen setzte sich wieder in Bewegung und bestaunte die nachfolgenden Wandgemälde… Doch ab diesem Zeitpunkt war die Führung für Gloria nicht mehr wichtig. Sie erhaschte später noch einen Blick in die kleine Lutherstube, doch an der besagten weißen Wand war natürlich nichts Besonderes mehr zu sehen.
    Welche Zusammenhänge gab es zwischen der heutigen, mysteriösen Teufelsschrift und den Geschehnissen in jener Nacht 1522 auf dieser Burg? Gab es überhaupt eine Verknüpfung oder verfiel sie langsam auch schon den Sagen und Mythen? Gloria dachte plötzlich an das zusammengestürzte Regal, das seit rund drei Jahren fest verschraubt war. Dass die Dübel aus der Wand brachen, konnte kein Zufall sein!
    Sie wusste, dass es mehr gab als nur die Welt der Menschen. Eine davon hatte Gloria selbst betreten; nämlich die der Seelen. Es gab mehr als schwarz und weiß, mehr als immer nur eine Wahrheit und spätestens mit der Hetzjagd durch den Wald stand fest, dass sie eine ganze Reihe an zwischenirdischen Problemen hatte…
    Egal, ob Luther nun wirklich der Teufel erschienen war oder nicht – es musste irgendeinen Zusammenhang zwischen beiden Aussagen geben: ‹Von Malerhand – den Teufel an die Wand gesandt› ging mit der gleichen Angst einher, die von dem gleichnamigen Sprichwort bis heute in unseren Sprachgebrauch überliefert wurde: ‹Mal´ den Teufel nicht an die Wand!› Da konnte es doch kein Zufall sein, dass Luther angeblich ein Glas Tinte gegen die Wand geworfen hatte… Ach nee… Gloria berichtigte sich selbst: Luther hatte ja nie ein Glas gegen die Wand geworfen. Das war nur ein Marketing-Trick, um noch mehr Pilger zu beeindrucken, denn der Fleck wurde erst rund 180 Jahre später künstlich erzeugt. Vielleicht sollte auch Gloria mal ein Glas Tinte vor eine Wand

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