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Zeugin am Abgrund

Zeugin am Abgrund

Titel: Zeugin am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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Außerdem machte der Mann an sich sie schon nervös.
    Doch ehe sie ihm das sagte, würde sie eher ihre Zunge verschlucken.
    Lauren riss sich zusammen, setzte sich auf und fuhr sich durchs zerzauste Haar, um es aus dem Gesicht zu streichen. “Sie haben mich erschreckt. Ich schätze, ich bin noch immer etwas nervös.”
    “Sieht so aus.” Er stellte ihr zwei große Einkaufstaschen hin. “Hier haben Sie was zum Wechseln und noch ein paar andere Dinge. Ziehen Sie das an, den Rest Ihrer Sachen habe ich bereits in einen Matchbeutel gepackt. Und beeilen Sie sich, wir müssen los.”
    Lauren sah sich um. Lieutenant Dumphries hatte sie netterweise auf der Couch in seinem Büro schlafen lassen, aber zwei Wände waren aus Glas und man konnte den Bereich überschauen, in dem die Detectives ihrer Schreibtischarbeit nachgingen. “Und wo? Ich kann mir hier schlecht ausziehen.”
    Er sah sich mit finsterem Blick um, dann deutete er auf die Tür. “Kommen Sie mit.” Lauren nahm ihre Handtasche und ihre Abendjacke, dann folgte sie ihm. Sie kam sich ein wenig albern vor, dass sie barfuß und in ihrem zerrissenen Abendkleid durch das Büro ging, aber daran konnte sie jetzt nichts ändern.
    Ihr fiel auf, dass er sich inzwischen umgezogen hatte. Statt Jeans und Cowboystiefeln trug er jetzt eine Wollhose und Stiefel, die handgefertigt zu sein schienen und ihm bis zu den Knien reichten. Der untere Teil bestand aus Leder, von den Knöcheln an aufwärts aus dickem Segeltuch. Während er vor ihr her mit der Eleganz eines indianischen Kriegers durch das Labyrinth aus Schreibtischen ging, machten seine Schuhe auf dem Linoleumboden kein Geräusch.
    Lauren schüttelte den Kopf und schnitt eine Grimasse. Sie musste schon sehr erschöpft sein, wenn sie sich solche Gedanken über diesen unangenehmen Mann machte.
    Agent Rawlins führte sie weiter durch einen schwach beleuchteten Flur und blieb vor einer Tür stehen, auf der ‚Damen‘ stand.
    Sofort hellte sich ihr Gesicht auf. “Oh, gut. Ich muss mich unbedingt frisch machen.”
    “Es ist nicht wichtig, wie Sie aussehen. Sie werden nicht zum Frühstück im Ritz erwartet.”
    “Agent Rawlins, nur zu Ihrer Information”, erwiderte sie so kühl, wie sie konnte. “Ich will mich nicht schminken. Ich möchte mich waschen. In diesem Unterschrank war es schmutzig, und beim Sprung aus dem Fenster bin ich in irgendetwas Ekligem gelandet. Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich mich gewaschen auf die Reise begeben.”
    “Na gut, aber beeilen Sie sich. Wir müssen fort von hier. Und denken Sie daran, die lange Unterhose anzuziehen.”
    Eines war damit sicher: Sie würden nicht in Richtung Süden fahren.
    Er lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust in dieser so typisch männlichen Art, einer Frau zu sagen: “Ich warte.” Ohne ein weiteres Wort öffnete Lauren die Tür, ging hindurch und schloss sie hinter sich ab.
    Überrascht stellte sie fest, dass sie sich nicht in der Damentoilette, sondern offenbar in der Garderobe der Polizistinnen befand. Hier waren nicht nur die üblichen sanitären Anlagen vorhanden, sondern auch Spinde und Bänke und -- wie Lauren erleichtert feststellte -- eine Dusche.
    Sie griff hinter sich und zog den Reißverschluss ihres Abendkleids auf, um es ausziehen zu können. Sie hielt es an zwei Fingern hoch und betrachtete es wehleidig. Es war das letzte der Kleider, die sie auf ihren Konzerten getragen hatte. Die anderen hatte sie größtenteils an einen Secondhandshop verkauft, als sie aus dem Krankenhaus gekommen war.
    Seufzend warf sie das Kleid in einen Abfalleimer, streifte die zerfetzte Strumpfhose ab und warf sie ebenfalls weg, zog dann ihre Unterwäsche aus und trat unter die Dusche. Sie bediente sich bei dem Shampoo und Duschgel, die beide auf einem kleinen Vorsprung standen, und seifte sich von Kopf bis Fuß ein. Die Schrammen am Knie und an den Handflächen brannten wie Feuer, aber das angenehme Gefühl, endlich wieder sauber zu sein, war stärker.
    Als sie die Dusche verlassen und sich abgetrocknet hatte, durchsuchte sie die Einkaufstaschen und holte einen Slip und einen BH hervor. Daneben fand sie in den Taschen ein Paar lange Unterhosen, eine aus weicher Seide, die andere aus dicker, kratzender Wolle, einen gefütterten Parka, Fleecehandschuhe und Schneestiefel, einen Trainingsanzug, zwei Paar dicke Socken, Zahnpasta und eine Zahnbürste, eine Feuchtigkeitscreme und die Handlotion, um die sie gebeten hatte, sowie einen

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