Zeugin am Abgrund
wisperte sie. “Sogar hier. O mein Gott!”
Dann riss sie die Augen auf. “Augenblick! Wie soll das möglich sein? Wie haben sie uns gefunden? Woher wissen sie etwas von dem Absturz? Und wie können sie wissen, wo sie suchen sollen?”
Sam sah sie nur an. Sie erkannte Zusammenhänge sehr schnell, das musste er ihr zugestehen.
“Ich nehme an, das Flugzeug wurde sabotiert. Sie haben sich vermutlich gedacht, dass wir nach Westen fliegen, also weg von stark bewohnten Gebieten. Sie haben es so ausgerechnet, dass wir über den Bergen niedergehen würden, also in einer Region, die äußerst ungastlich ist, vor allem im Winter. Wenn wir nicht dieses schlechte Wetter gehabt hätten, wären diese Kerle sicher schon vor zwei Tagen hier aufgetaucht. Vermutlich haben sie einen Sender am Flugzeug versteckt, damit sie es aufspüren und sich von unserem Tod überzeugen können. Diesen Sender wollte ich vorhin suchen und zerstören.”
“Aber was macht Sie so sicher? Haben Sie die Leute erkannt?”
“Nein.”
“Wieso glauben Sie dann, dass sie uns etwas tun wollen? Was ist, wenn diese Leute Agenten aus Ihrem Büro sind, die uns wirklich retten wollen?”
“Hören Sie, Sie müssen mir jetzt einfach vertrauen. Mir fehlt die Zeit, um Ihnen das zu erklären. Wir müssen hier raus, also bewegen Sie sich.”
“Aber …”
“Himmel! Wir haben höchstens eine Stunde Vorsprung, bis die meine Spur gefunden und bis hierher verfolgt haben. Ich werde keine weitere Minuten damit vergeuden, mit Ihnen zu diskutieren. Und jetzt setzen Sie endlich Ihren Hintern in Bewegung. Los!”
“Ich kann trotzdem …”
Er beugte sich vor, bis sein Gesicht nur noch ein oder zwei Zentimeter von ihrem entfernt war. Sie zuckte zusammen, und er sah, wie sich ihre Pupillen vor Angst weiteten.
Gut, vielleicht hörte sie jetzt endlich auf ihn.
“Lady, entweder Sie marschieren jetzt los, oder ich werfe Sie über meine Schulter und trage Sie”, knurrte er sie an. “So oder so werden wir sofort losziehen. Sie haben die Wahl.”
Sie schluckte, aber schon im nächsten Moment schob sie wieder ihr Kinn vor und schnaubte. “Also gut, ich gehe schon. Doch es gefällt mir nicht”, hängte sie trotzig an.
“Ihr Problem.” Er legte seine Hand auf ihren Rücken und versetzte ihr einen Stoß, damit sie aus der Hütte ging.
“Hey, Sie müssen nicht so grob zu mir sein!”
“Hier entlang!” Er ignorierte ihre Beschwerde und deutete auf die Baumgruppe rechts der Hütte. “Los, los, los!”
Lauren kochte vor Wut. Das war doch verrückt! Warum setzten sie ihr Leben so aufs Spiel? Irgendjemand beim FBI musste wissen, wohin sie unterwegs waren. Darum wussten sie auch, wo sie nach ihr und Sam suchen mussten, als sie ihr Ziel nicht erreichten. Oder etwa nicht?
Sie wollte diesen Punkt ansprechen, traute sich aber nicht. Der Blick in seinen Augen, als er ihr angedroht hatte, notfalls Gewalt anzuwenden, war unmissverständlich gewesen. Er hatte nicht geblufft, und ihr gefiel die Vorstellung nicht, wie ein Sack Kartoffeln über die Schulter geworfen zu werden.
Als sie die Baumgruppe erreicht hatte, merkte sie, dass der Untergrund leicht anstieg, was das Vorankommen noch schwieriger machte. Sam war dicht hinter ihr und trieb sie unablässig zur Eile an, während sie sich ihren Weg zwischen den Fichten und Espen hindurchbahnte. Er griff immer wieder nach links und rechts, um den Schnee von den Ästen und Zweigen zu schütteln, damit der ihre Spur verwischte. “Los, los! Machen Sie schon! Beeilung!”
“Ich gehe ja schon … so schnell … wie ich kann … Diese Schu…”
Sie blieb abrupt stehen, als der Baumbestand endete und sie sich vor einem steil nach oben führenden, felsigen Hang wieder fand. Sie beugte sich vor und stützte die Hände auf ihre Knie, um durchzuatmen. “Und jetzt?” rief sie Sam mit ärgerlicher Stimme zu.
“Jetzt klettern wir.” Er kniete nieder und begann seine Schneeschuhe zu lösen. “Aber erst ziehen wir die natürlich aus. Benutzen Sie die Bindungen, um sie am Matchbeutel zu befestigen.” Er sah auf und warf ihr einen finsteren Blick zu. “Stehen Sie nicht einfach nur rum, sondern tun Sie was!”
“Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sie erwarten von mir, dass … dass ich da raufklettere?”
“Das sieht schlimmer aus, als es ist. Es gibt einen Pfad, den man in den Fels gehauen hat und der zum Schuppen der Mine führt. Darüber befindet sich ein ziemlich ebener Streckenabschnitt, dem wir bis zu diesem Einschnitt
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