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Zicke

Zicke

Titel: Zicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Zarr
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es sich anfühlte, als ich endlich erkannte, dass es kein Spiel war und auch nichts, was ich im Fernsehen guckte. Es war etwas Wirkliches, das zwischen zwei wirklichen Menschen geschah. Ich,
ich
fühlte mich wirklich; ich empfand wirkliche Gefühle, sagte wirkliche Worte.
    »An eurem Haus hat sich nichts verändert«, stellte Tommy fest, als er bei uns am Bordstein hielt. »Spielt dein Alter immer noch verrückt?«
    »Er ist nicht verrückt.«
    »Okay, deprimiert oder verstockt oder was auch immer.« Ich stieg aus dem Wagen und knallte die Tür zu. Er rief durch das Fenster: »Willst du mir nicht Danke sagen für die Fahrt?«
    »Danke für die Fahrt. Jetzt verschwinde.«
    »Schon gut, schon gut. Mein Gott.«
    |124| Er fuhr davon und ich ging ins Haus. Im Untergeschoss war Licht und es sah aus, als wären Darren und Stacy noch wach. Als ich halb die Treppe runter war, erschien von unten Darren.
    »Nett von euch, dass ihr endlich auftaucht«, sagte er laut flüsternd. »Ich wollte schon Moms Wagen nehmen, um euch zu suchen.«
    »Wovon redest du? Ich hab ’ne dreiviertel Stunde gewartet und niemand ist aufgetaucht, um mich abzuholen!«
    Darren winkte mich nach unten. Wir gingen in das kleine Badezimmer und schlossen die Tür, um April nicht aufzuwecken. »Stacy ist nicht bei dir?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich und spürte etwas, das mir Angst machte. »Ist sie nicht hier?«
    »Shit«, sagte Darren und fuhr sich mit den Händen durch seine kurzen Haare.
    »Der Wagen ist auf dem Parkplatz von
Safeway
«, sagte ich. »Die behaupten, sie sei früh gegangen, um halb zehn.«
    »Aber wo ist sie dann?«, fragte Darren. »Wo ist sie?«
    ***
    Ich zog die Kladde hinter meinem Bett hervor und starrte eine volle halbe Stunde lang auf eine leere Seite.
    Ich wollte nicht mehr über das Mädchen auf den Wellen schreiben.
    Ich hatte Angst, über
irgendetwas
zu schreiben.

[ Menü ]
    |125| 7
    Früh am nächsten Morgen fuhr Mom Darren zum Supermarkt runter, um den Wagen zu holen. Stacy hatte einen Zettel im Auto hinterlassen:
    Macht euch keine Sorgen um mich. Sorry .
    Nichts darüber, wo sie steckte, warum sie fort war und ob sie zurückkäme. Mom und Darren meldeten sich krank, aber Dad sagte, er könne es sich nicht leisten, einen Tag zu fehlen, nur um Stacy hinterherzujagen. »Die kommt bestimmt wieder. Die will nur auf sich aufmerksam machen.«
    Darren antwortete nicht, aber ich sah, wie seine Hand sich um Aprils Fläschchen klammerte.
    »Was ist das für eine Mutter, die ihr Baby verlässt?«, fuhr Dad fort und blickte in der Küche umher, ob ihm jemand zustimmte.
    »Ich will mir das nicht anhören, Dad«, knurrte Darren.
    Ausnahmsweise sagte Dad nichts mehr und ließ Darren in Ruhe. Nicht, dass er sich erboten hätte zu helfen oder etwas Hilfreiches beigesteuert hätte, aber wenigstens hielt er den Mund und ging zur Arbeit.
    Mom schenkte Darren, der am Tisch saß und April in den Armen wiegte, eine Tasse Kaffee ein. »Wir bleiben |126| einfach am Telefon. Ich wette, sie wird sich bald melden.« Mit der Hand berührte sie kurz Darrens Kopf – auf eine Art, wie ich es seit Langem nicht mehr gesehen hatte. »Stacy musste wohl einfach mal eine kleine Auszeit nehmen.« Wie üblich weigerte sich Mom, die Situation wirklich zur Kenntnis zu nehmen, und glaubte stattdessen lieber, auf irgendwie magische Weise würde sich alles in Wohlgefallen auflösen.
    »Mom«, sagte Darren leise. »Wenn es so wäre, hätte sie es mir nur zu sagen brauchen. Sie weiß das.«
    »Nun ja. Man weiß nie. Die Hormone können eine junge Mutter verrückt machen …«
    Darren stand mit April auf und verließ die Küche.
    Ich folgte ihm in mein Zimmer. »Was willst du jetzt machen?«, fragte ich. Er legte April bäuchlings auf mein Bett, steckte die Hände tief in die Hosentaschen und blickte unverwandt zu Boden.
    »Ich weiß nicht.« Die Stimme brach, seine Schultern begannen zu zittern, und dann stand er einfach mitten im Zimmer und weinte, bemüht leise, mein großer Bruder, der mit allem fertig werden konnte. April hörte auf, eigene Laute von sich zu geben, und hob ihr Köpfchen, so gut sie konnte, um Darren anzusehen. Weder sie noch ich hatten ihn je weinen sehen. Er vergrub das Gesicht in den Händen. »Tut mir leid.«
    Wenn ich eine andere Art von Schwester gewesen wäre, eine bessere, dann hätte ich ihn in die Arme genommen und gesagt, es würde alles wieder gut werden. Wenn wir nicht im Haus meiner Eltern gewesen wären, sondern in unserem eigenen,

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