Ziel erfasst
letzte Bedrohung ausgeschaltet war. Er griff nach einem neuen Magazin. Währenddessen beobachtete er den tödlich getroffenen Wachmann und wartete darauf, dass er endlich auf den kalten Betonboden stürzte.
Aber der Körper des toten Mannes hatte andere Pläne. Die Wucht der Schüsse trieb ihn weiterhin nach hinten. Chavez erkannte voller Schrecken, dass die Leiche schließlich vom Dach stürzen würde. Sie würde unmittelbar vor die Eingangstür und direkt in das Scheinwerferlicht fallen, das gerade den Mann beleuchtete, der vom Hubschrauber unterwegs zum Kontrollzentrum war.
»Scheiße!« Chavez sprintete quer über das Dach. Er musste den Wächter unbedingt au ff angen, bevor dieser hinunterstürzte und die gesamte Operation in ihrem gefährlichsten Moment verriet.
Ding ließ seine HK fallen und sprang in weitem Bogen durch die Luft, um irgendwie die Uniform des toten Mannes zu fassen zu bekommen.
Der Jamaat-Shariat-Kämpfer fiel rückwärts über die Dachkante.
79
I srapil Nabijew stieg aus dem Hubschrauber und trat ins Licht hinaus. Vor ihm lag das riesige Gebäude im Schnee. Der zweiunddreißigjährige Jamaat-Shariat-Führer blinzelte und machte einen Schritt auf dem harten Schnee und dann noch einen. Jeder Schritt brachte ihn der Freiheit näher, nach der er sich in den langen Monaten seiner Gefangenschaft so gesehnt hatte.
Der Gewehrkolben traf Nabijew am Hinterkopf. Er stürzte zu Boden. Der Schlag hatte ihn halb betäubt, aber er kam wieder auf die Knie und versuchte aufzustehen und weiterzugehen, aber zwei Wächter aus dem Hubschrauber packten ihn von hinten und legten ihm Handschellen an. Sie zogen ihn hoch, drehten ihn um und stießen ihn wieder in den Hubschrauber hinein.
»Nicht heute, Nabijew«, rief ihm einer der Männer über das Heulen der Hubschrauberturbinen hinweg zu. »Das Kontrollzentrum der Rokot-Raketen sieht fast so aus wie das des Dnjepr-Systems, oder?«
Israpil Nabijew begriff nicht, was hier vor sich ging. Er wusste nicht, dass er sich fünfundzwanzig Kilometer westlich der Dnjepr-Startanlagen befand und man ihm nur vorgetäuscht hatte, dass er Safronow und der Jamaat Shariat übergeben werden würde. Der Hubschrauber hob wieder ab, drehte sich in der Luft und flog davon. Die hellen Lichter blieben hinter ihm zurück.
Georgij Safronow steckte seine Makarow ins Halfter und gab seinen Männern ein Zeichen, die Geiseln zum wartenden russischen Hubschrauber hinüberzuschicken. Die in dicke Mäntel gehüllten amerikanischen, britischen und japanischen Frauen und Männer gingen an ihm vorbei ins helle Licht hinaus. Von der anderen Seite kam der bärtige Mann immer näher. Er war jetzt nur noch dreißig Meter entfernt. Georgij bemerkte auf seinem Gesicht ein Lächeln. Das brachte ihn selbst zum Lächeln.
Die Geiseln bewegten sich schneller als Nabijew, deshalb gab Safronow seinem Landsmann ein Zeichen, sich ebenfalls etwas zu beeilen. Er hätte ihm gerne etwas zugerufen, aber die Hubschrauberturbine war zu laut.
Er winkte ihm noch einmal zu, aber Nabijew befolgte die Au ff orderung nicht. Er schien nicht verletzt zu sein. Georgij verstand deshalb nicht, warum er so langsam ging.
Plötzlich blieb der Mann mitten auf dem Parkplatz stehen. Im Bruchteil einer Sekunde wurde Safronows Hochgefühl von einem finsteren Verdacht abgelöst. Er spürte eine Gefahr. Er ließ die Augen über den ganzen Parkplatz, den Hubschrauber auf der anderen Seite und die auf diesen zueilenden Geiseln streifen.
Er konnte nichts erkennen, aber er wusste auch nicht, welche Gefahr jenseits des Lichtscheins im Dunkeln lauerte. Er wich in die Eingangshalle zurück und stellte sich hinter die Tür.
Als er kurz darauf hinausschaute, merkte er, dass sich Nabijew wieder in Bewegung gesetzt hatte. Trotzdem war Safronow immer noch misstrauisch. Er kniff die Augen zusammen und musterte das Gesicht des Mannes eine ganze Weile.
Nein.
Das war nicht Israpil Nabijew.
Georgij Safronow schrie vor Wut laut auf, während er seine Makarow wieder aus dem Holster holte und hinter seinen Rücken hielt.
Chavez’ behandschuhte linke Hand umklammerte die Eisenstange, die einen der Scheinwerfer hielt. Dings Finger schmerzten und brannten, da sein Körper vom Gebäude herunterhing und er mit der rechten Hand gleichzeitig die Hosen des toten Terroristen kurz über dessen Fußgelenk gepackt hatte, dessen Gewicht Dings Schulter beinahe ausrenkte. Er wusste, dass er sich nicht auf das Dach hochziehen und seine Mission fortsetzen
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