Ziel erfasst
ans Fenster ihrer Einzimmerwohnung im Kairoer Zamalek-Viertel gestellt hatten. Sie nippten an einem türkischen Mokka, den Sam in einem Kupferkännchen auf dem Herd aufgebrüht hatte, und beobachteten das ummauerte Anwesen auf der gegenüberliegenden Anhöhe.
Den ganzen Abend hatte el-Daboussi nur einen einzigen Besucher empfangen. Caruso hatte ein paar Fotos von dessen Wagen, einem S-Klasse-Mercedes, gemacht, auf denen vor allem das Kennzeichen deutlich zu sehen war, und sie an die Analysten im Campus gemailt. Diese hatten ihm ein paar Minuten später mitgeteilt, dass das Auto auf einen hochrangigen ägyptischen Parlamentsabgeordneten zugelassen war, der bis vor neun Monaten als Mitglied der Muslimbruderschaft im saudi-arabischen Exil gelebt hatte. Jetzt war er wieder heimgekehrt, um sich an der Regierung seines Landes zu beteiligen. Das war alles schön und gut, dachte Dom, wenn man davon absah, dass er jetzt offensichtlich mit einem bekannten früheren URC-Ausbilder kungelte, der sich zuvor in Al-Qaida-Lagern in Afghanistan, Pakistan, Somalia und dem Jemen herumgetrieben hatte.
Scheiße, murmelte Caruso vor sich hin und sagte dann laut: »He, Sam. Ich schaue mir gerade einen amerikanischen Fernsehsender an. Sie sagen, die Muslimbrüder wollten nur Demokratie und gleiche Rechte für die Frauen. Wie passt das zu ihren mitternächtlichen Treffen mit berüchtigten Dschihadisten?« Seine Stimme nahm einen sarkastischen Ton an.
»Ja«, bestätigte Sam mit gespielter Naivität. »Ich war mir auch sicher, dass die Muslimbrüder makellose Demokraten sind.«
»Wohl wahr«, sagte Dom. »Irgendein Spinner auf MSNBC hat vorhin behauptet, die Muslimbrüder seien vielleicht früher Terroristen gewesen, jetzt seien sie jedoch eher mit der Heilsarmee in den Vereinigten Staaten vergleichbar. Es handele sich um eine religiöse Wohlfahrtsorganisation.«
Sam sagte nichts.
»Kein Kommentar?«
»Als du MSNBC gesagt hast, habe ich nicht weiter zugehört.«
Dom lachte.
Carusos Thuraya-Hughes-Satellitentelefon piepte. Er schaute automatisch auf die Uhr, als er antwortete. »Ja?«
»Dom, hier ist Gerry. Wir müssen Sie von dort abziehen. Clark und Chavez brauchen Hilfe in Paris.«
Caruso war überrascht. Er wusste zwar, dass Clark und Chavez eine Operation in Europa durchführten, aber sein letzter Informationsstand war, dass ihre Zielperson nach Islamabad zurückgeflogen sei.
»Was ist mit Sam?«, fragte Dom. Driscoll schaute ihn von seiner Liege auf der anderen Seite des winzigen dunklen Raums interessiert an.
»Sam auch. Die benötigen in Paris genau die Unterstützung, die ihr beide ihnen leisten könnt. Ryan fliegt gerade über den großen Teich. Er hat alles dabei, was ihr braucht.«
Caruso brach diese Mission nur sehr ungern ab. Immerhin hatten sie den Typen, der sich im Basar mit el-Daboussi getroffen hatte und den Driscoll für einen pakistanischen General hielt, noch nicht identifizieren können. Er wäre gerne noch so lange geblieben, bis die Campus-Informatiker diesem Gesicht einen Namen zugeordnet hatten. Trotzdem sagte er kein Wort. Wenn ausgerechnet John Clark und Ding Chavez Hilfe benötigten, musste sich dort drüben in Europa gerade etwas sehr Ernstes zusammenbrauen.
»Wir sind schon unterwegs.«
11
J ack Ryan jr. saß auf dem Chefsessel des Geschäftsjets, der mit tausend Stundenkilometern in vierzehntausend Meter Höhe durch die dünne Luft fünfundsechzig Kilometer südöstlich von Gander, Neufundland, flog.
Er war der einzige Passagier. Die drei Besatzungsmitglieder – die Pilotin, der Erste Offizier und eine Flugbegleiterin – ließen ihn in Ruhe einen Ordner durchlesen, der auf einem ledernen Flugsessel für ihn bereitgelegen hatte.
Während er die Unterlagen durcharbeitete, nippte er an einem kalifornischen Cabernet und stocherte von Zeit zu Zeit geistesabwesend in einer Wurstplatte herum.
Vor ihm stand sein Laptop. Außerdem hielt er sich einen Großteil der Zeit den Hörer seines Sitztelefons ans Ohr, um mit Clark in Paris und verschiedenen Operations-und Geheimdienstleuten des Campus daheim in Maryland zu sprechen. Er konnte sich auch ganz kurz mit Driscoll austauschen, der gerade zusammen mit Caruso auf den Start des Flugzeugs wartete, das sie von Kairo nach Paris bringen sollte.
Ryan würde für diesen Teil seiner Nachtarbeit etliche Stunden benötigen. Aber er würde ohnehin während dieses Transatlantikflugs keinen Schlaf finden. Er musste nämlich unter Clarks und Chavez’
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