Ziel erfasst
Todeszelle. Und sie sitzen nicht in einem Gefangenenlager des Militärs. Es gibt Schlimmeres als das Hochsicherheitsgefängnis.«
»Ich würde das Märtyrertum vorziehen.«
»Nun, dabei werde ich Ihnen ganz bestimmt nicht helfen. Wenn Sie hier in eine dunkle Ecke geschleppt werden wollen, wo man Ihnen eine Todesspritze verabreicht, dann müssen Sie das ganz allein erledigen. Aber ich kenne Männer wie Sie, Mr. Yasin. Das ist ganz und gar nicht das, was Sie wollen.«
Der Emir zeigte einen Anflug von Lächeln, aber das war nur Schau. Tatsächlich dachte er: Nein, Judith Cochrane. Einen Mann wie mich kennst du nicht.
Laut sagte er jedoch: »Es tut mir leid, dass ich nicht netter zu Ihnen bin. Ich habe wohl meine guten Umgangsformen in den vielen Monaten seit meinem letzten Gespräch mit einer freundlichen Seele vergessen.«
Die einundsechzigjährige Amerikanerin schmolz dahin. Sie beugte sich sogar zur gläsernen Trennwand vor, um ihm möglichst nahe zu sein. »Ich werde Ihre Lebensverhältnisse verbessern, Saif Rahman Yasin. Vertrauen Sie mir. Ich werde Ihnen Papier und Bleistift besorgen. Vielleicht kann ich Ihnen auch etwas mehr Privatheit oder etwas mehr Raum verschaffen. Ich sage meinen Klienten immer, dass es ein Gefängnis und kein Paradies sein wird, dass ich ihnen die Sache aber erleichtern kann.«
»Ich verstehe das. Das Paradies erwartet mich im Jenseits. Das hier ist nur das Wartezimmer. Ich hätte es sicher gerne etwas luxuriöser, aber das Leiden, das ich hier erdulden muss, wird mir im Paradies nur nützen.«
»So kann man es auch sehen.« Judith Cochrane lächelte. »Ich sehe Sie in drei Tagen.«
»Danke, Ms. Cochrane.« Der Emir legte den Kopf schief und lächelte. »Oh, es tut mir leid. Wie unhöflich von mir. Ist es Mrs. oder Miss?«
»Ich bin nicht verheiratet«, antwortete Judith. Ihre fleischigen Wangen überzog jetzt ein tiefes Rot.
Yasin lächelte. »Ich verstehe.«
24
J ack Ryan jr. kam kurz nach elf Uhr vormittags in Liberty Crossing, dem Sitz des National Counterterrorism Center, an. Er hatte sich mit Mary Pat Foley zum Essen verabredet. Sie hatte ihn gebeten, etwas früher zu kommen, damit sie ihn durch das Gebäude führen konnte.
Zuerst hatte sie vorgeschlagen, nach der Führung im NCTC -Restaurant zu essen. Aber Jack hatte ihr klargemacht, dass er während der Mahlzeit etwas Geschäftliches mit ihr zu besprechen habe und es deshalb vorziehen würde, wenn sie sich außer Haus einen ruhigeren Ort suchten. Mary Pat war der einzige Mensch in Liberty Crossing, der von der Existenz des Campus wusste, und Jack wollte, dass dies so blieb.
Jack hielt seinen gelben Hummer H3 am Haupttor der Anlage an und zeigte einem finster dreinschauenden Wachmann den Ausweis. Der prüfte nach, ob sein Name auf einer Computerliste stand, auf der die angemeldeten genehmigten Besucher aufgeführt waren. Dann winkte er ihn durch, und Jack stellte den Geländewagen auf dem Hauptparkplatz ab.
Die stellvertretende Direktorin des NCTC holte ihn in der Lobby ab, half ihm, die Sicherheitsformalitäten zu erledigen, und fuhr mit ihm im Aufzug zum Operationszentrum hinauf. Das war Mary Pats Reich. Jeden Tag ging sie mehrmals durch die ganze Abteilung und schaute nach den dort arbeitenden Analysten. Dabei konnte sie jeder ansprechen, der etwas auf dem Herzen hatte.
Der Raum war wirklich beeindruckend. Neben Dutzenden von Computerarbeitsplätzen gab es mehrere große Projektionswände. Das riesige Großraumbüro setzte Ryan in Erstaunen, vor allem wenn er es mit seiner eigenen Firma verglich. Sie verfügten zwar auch über die modernsten Technologien, aber trotzdem sah es bei ihnen nicht halb so cool aus wie hier. Trotzdem wusste er natürlich, dass er und seine Analystenkollegen fast alle Informationen auffingen, die jetzt über die Monitore hier huschten.
Mary Pat genoss es, den jungen Ryan herumzuführen. Sie erklärte ihm, dass im NCTC mehr als fünfhundert Personen aus über sechzehn Abteilungen, Behörden und Diensten zusammenarbeiteten, um Daten zu sammeln, nach Prioritäten zu ordnen und zu analysieren, die ihnen von sämtlichen US-Nachrichtendiensten oder direkt von ausländischen Partnern zugeleitet wurden. Das Operationszentrum war sieben Tage die Woche rund um die Uhr in Betrieb. Mary Pat war vor allem stolz darauf, dass eine solche Koordinationsleistung in einer Riesenbürokratie wie der US-Bundesverwaltung möglich war.
Mary Pat achtete darauf, bei ihrer Führung keinen Analysten zu stören.
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