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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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die mich in unseren Umarmungen ermuntern. Ich streife wieder nach oben zu ihrem Hals, an dem ich eindöse, nachdem wir uns geliebt haben. Wir verbringen unsere Zeit nackt in großen Betten, ineinander verschlungen.
    Auf der Straße halte ich sie am Ellbogen. »He! Seht her, das ist meine Freundin!« Wir umarmen uns ohne jede Scham.
    Unsere Verwandten nennen uns »Kiss Machine«.
     
    Mit zwanzig machten wir uns Gedanken darüber, wie wohl unsere Umarmungen mit vierzig sein würden. Mit vierzig liebten wir uns noch immer voller Zärtlichkeit, ungeachtet ihrer bandagierten Beine. Wir lasen zusammen, machten Musik. Wir waren unzertrennlich. Auch nach meinem Unfall setzte Béatrice, geschwächt von ihrem Krebs, unser Liebesspiel fort. Wir liebten uns mit den Lippen.
     
    Ich hatte immer das Bedürfnis, mit ihr vereint zu sein; so fühlte ich mich schöner, reifer.
     
    *
     
    Unser Leben ist Musik. Bereits in unserer ersten Zeit, in Reims, miete ich ein Klavier in dem vollgestellten Schuppen eines Schreiners. Sie besucht mich dort. Es ist meine Chopin-Schumann-Schubert-Phase. Sie setzt sich auf eine Kiste und hört mir zu, während sie liest. Abends im Konzert sitzen wir Hand in Hand. Bei einem Schubert-Liederabend versetzt sie mir einen Stoß in die Rippen, weil sie findet, dass ich der schönen Sängerin zu viel Aufmerksamkeit schenke. Als wir uns später in der Champagne niederlassen, nimmt sie Gesangsstunden. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht musizieren. Mozart und vieles andere. Bin ich im Gleichklang mit ihr, wenn wir gemeinsam die Schönheit einer Arie bewundern? Über die Musik hinaus entdecke ich in meinem Inneren eine geradezu sinnliche Harmonie. Ich atme nur noch im Rhythmus ihrer Atemzüge.
     
    *
     
    Egal wo ich bin auf der Welt: Sie ist mein Universum, das Einzige, das für mich zählt. Abends, aneinandergeschmiegt in unserem großen Bett, unsere geflüsterten Kinderwünsche, die Gewissheit, geliebt zu werden, die Zärtlichkeiten zwischen unseren Körpern. Auf all meinen Reisen kreuz und quer durch die Welt bleibt dieses große Bett meine einzige Offenbarung.
     
    *
     
    Aus Pozzo ist dank seiner strahlenden Gefährtin ein neuer Mensch geworden. Ich verkaufe den schönen orangefarbenen Käfer, den ich zu meinem 18. Geburtstag bekommen habe, und begleiche meine Spielschulden. Dafür kaufe ich dem Café-Besitzer seinen uralten, aber bestens erhaltenen Citroën ID 19 ab. In diesem Schlitten kutschiere ich Béatrice überall herum. Ich bin der Ganovenkönig, sie ist meine Königin.
     
    Eines Abends sind wir auf dem Rückweg von Reims nach Paris. Dichter Nebel bremst uns aus. Aber was macht das schon: Béatrice ist an mich gelehnt, die Zeit existiert nicht mehr. Der Wegweiser nach Meaux taucht undeutlich aus dem Grau auf. Man sieht nichts mehr außer dem grellen Licht der Scheinwerfer, das der Nebel reflektiert. Ich schlage mich instinktiv zum Bahnhof durch. Es gibt immer irgendein Bahnhofshotel. Béatrice ist es ein wenig peinlich, als ich klingle und an die Tür des verschlafenen Hotels klopfe. Eine Weile ist es still, dann meldet sich eine mürrische Frauenstimme und bittet um Ruhe. Ich lasse mich nicht abwimmeln. Schließlich geht das Licht an. Hinter einem schwarzen Schultertuch und Filzpantoffeln steigen wir eine Treppe hinauf. Die Holzdielen knarren. Kein einziges Wort fällt, bis sich die Tür hinter uns schließt. Béatrice ist immer noch an mich geschmiegt. Unter Küssen erreichen wir das Bett, das von einer wackeligen Nachttischlampe beleuchtet wird. Béatrice lacht lauthals über den unglaublichen Krach, den das alte Bettgestell dem gesamten Haus zumutet. Wir scheren uns nicht um den Lärm und flüstern die ganze köstliche Nacht hindurch. Im Frühstücksraum fragt uns der schwarze Schal, ob wir eine gute Nacht verbracht hätten. Béatrices Wangen röten sich. Sie beißt in ein warmes Croissant, ohne den Blick von mir zu wenden.
     
    Die Studenten der Sciences Po müssen am Ende ihres zweiten Studienjahres ein Praktikum absolvieren. Wir sind frisch verlobt. Mein zukünftiger Schwiegervater verschafft uns über die Stadtverwaltung von Montpellier ein Praktikum in Louisville, Kentucky, der Partnerstadt von Montpellier. Wir werden derselben kleinen Bankfiliale zugeteilt: der Louisville Trust Co. Wohl um dem Präfekten einen Gefallen zu tun, vermittelt uns die Universität eine private Unterkunft in einem prachtvollen, im Kolonialstil erbauten Haus. Es gehört einer alten Dame, die mehrmals

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