Ziemlich beste Freunde
mehreren Monaten lassen die Ärzte endlich von ihr ab. Sie ist ein Schatten ihrer selbst, nur in ihren Augen ist noch Leben. Wir fliegen auf die Insel Martinique. Sofort nach der Landung ziehen wir los, um ein Boot zu mieten, decken uns mit Lebensmitteln ein und brechen auf.
Béatrice hat sich auf Deck ausgestreckt. Sie lacht aus vollem Hals, als ein warmer Regenguss niedergeht; juchzt vor Freude, wenn sich das Boot zu heftig neigt. Mitten auf dem Meer lassen wir uns treiben und Béa schwimmt und sonnt sich stundenlang. Als wir ein einziges Mal einem anderen Boot begegnen, tanzt sie nackt auf dem Deck. Binnen weniger Tage nimmt ihr Gesicht wieder eine gesunde Farbe und ihre Figur wieder weiche Formen an. Ihre Augen strahlen wieder. Ich behalte von Béatrice nur diese Momente der Zuversicht im Gedächtnis.
Der gelehrte amerikanische Doktor versichert uns, dass er jetzt Bescheid weiß, und überredet uns, es erneut zu versuchen.
Ein Jahr später haben wir es hinter uns. Noch ein Kind ist im siebten Monat gestorben. Für den Fall, dass es nicht klappen sollte, hatten wir bereits beschlossen, zu adoptieren. Wir unternehmen die notwendigen Schritte, um eine Eignungsfeststellung zu erhalten, mit der wir einen Antrag stellen können, der uns, bei positivem Bescheid, die Tür zu einer Adoption öffnen könnte … in ungefähr fünf Jahren, so die Aussicht. Wir verfassen den vermutlich schönsten Adoptionsantrag, den das kirchliche Institut von Bogota je erhalten hat.
Bei der Gesundheitsuntersuchung stellt der Arzt fest, dass mit Béatrices Blutwerten etwas nicht stimmt. Er schickt sie zwecks weiterer Tests im Krankenwagen ins Krankenhaus von Cook County. Die Diagnose wird bestätigt. Sie hat einen barbarischen Namen, den ich mir bis heute nicht merken kann – ein Krebs des Knochenmarks. Er tritt vorwiegend bei älteren Menschen und häufiger bei Männern auf. Der Chefarzt des Krankenhauses meint, es gäbe in den USA nicht einmal hundert Fälle, in denen eine junge Frau wie Béatrice von dieser Krankheit betroffen ist. Jetzt haben sie ihr Versuchskaninchen. Ärzte verschiedener Krankenhäuser empfangen sie mit größtem Interesse. Die Alten sterben an der Krankheit. Immerhin lässt sich der Verlauf aber um gut zehn Jahre hinauszögern. »Das ist ja schon mal etwas.«
Es handelt sich um einen Krebs der roten Blutkörperchen. Das Hämoglobin entwickelt sich so rasch und übermäßig, dass das Blut gerinnt. Meist stirbt man dann an einer Lungenembolie oder einem Hirnschlag. Mit einer Chemotherapie sollen die roten Blutkörperchen zerstört werden.
Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Krebs.
Béatrice ist erschöpft von ihrer letzten Fehlgeburt.
Als sie mir mitteilen, dass sie Krebs hat, verliere ich mich. Alles wird schwarz, wie diese Nächte, wo ich mich in die Arme von Frauen flüchte, aller Frauen, irgendwelcher Frauen.
13 Embolie: plötzlicher Verschluss eines Blutgefäßes durch ein in den Blutstrom geratenes Blutgerinnsel oder eine körperfremde Substanz.
Cherubino!
In diesem ganzen Wahnsinn und Schmerz erreicht uns ein Telefonanruf: Ein Baby, ein kleines Mädchen, wartet in Bogotá auf uns. Béatrice bricht schluchzend am Tisch eines vollbesetzten französischen Restaurants in Chicago zusammen. Sie muss hinausgehen, um ihr Make-up wieder in Ordnung zu bringen.
Von diesen Wochen ist mir nichts im Gedächtnis geblieben, außer der Scham über meine Flucht. Und dann der Tag in Bogotá, an dem Béatrice mir Laetitia in die Arme legt. Sie ist ein wunderhübsches, drei Monate altes Baby, das mich mit großen, staunenden, vielleicht auch ängstlichen Augen ansieht. Ich finde – wir finden – unseren gemeinsamen Atemrhythmus wieder. Béatrice beugt sich über meine Schulter und über das Kind – und es geht wieder weiter. Das muss es auch. Laetitia ist ein Geschenk. Béatrice bekommt wieder Lust auf unsere Liebe. Ich finde die Wärme ihres geschundenen Körpers wieder.
Ich werde zum Finanzchef der französischen Niederlassung eines amerikanischen Pharmakonzerns ernannt. Es ist unsere zunächst zaghafte, dann triumphale Rückkehr mit dem verheißenen Kind. Fünf Jahre sind seit unserem Weggang aus Frankreich vergangen. Ich ziehe mit den Meinen in unser Stadthaus in Paris. Béatrice lebt wieder auf, Laetitia wächst und gedeiht. Ich arbeite unermüdlich an der Seite meines jungen Chefs, André, der uns ein Freund wird. Ich verdiene halb so viel wie in Amerika, aber was für ein Abenteuer! André
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