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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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verheiratet war und mittlerweile Witwe ist. Sie ist begeistert über die Ankunft des jungen Paares. Bestens informiert, begrüßt sie uns mit einer Ehrerbietigkeit, die eines Counts und seiner Countess würdig ist. Sie verwöhnt uns nach Strich und Faden. Es ist nahezu unmöglich, sie aus unserem Zimmer zu bringen. Ich habe den Verdacht, dass sie mehr als einmal die Nacht mit dem Ohr an unserer Zimmertür verbracht hat, um den Seufzern zu lauschen, die sie selbst entbehren muss.
    Bei der Bank wird Béatrice eine Stelle in der Rechtsabteilung zugewiesen, während ich mich mit Vermögensverwaltung auseinandersetzen darf. Alle zwei Stunden ist eine fünfzehnminütige Kaffeepause erlaubt. Wir treffen uns unverzüglich im Aufzug und küssen uns während der ganzen Zeit, die uns zur Verfügung steht. So etwas schockiert natürlich im puritanischen Amerika und bestätigt das Bild, das die Amerikaner von den Franzosen haben. Sie nennen uns nur noch »the French lovers«. Auf der Straße schmusen wir weiter und werden zum Anlass für quietschende Bremsen, wildes Gehupe, Verkehrsstaus und Gelächter. An eine Szene kann ich mich noch genau erinnern: Eine Familie weißer Hinterwäldler, deren Ähnlichkeit frappierend war, blieb fünf geschlagene Minuten lang – die Zeit, die wir brauchten, um aus ihrem Blickfeld zu verschwinden – wie versteinert stehen und starrte uns nach.
    Unsere Vermieterin versammelt halb Louisville zu einem Barbecue um den Pool, um ihre verliebten Adligen vorzuführen. Wir sind Turteltauben ohne Käfig und ohne Hemmungen. Uns ist alles recht, solange wir beisammen sind.
     
    Nachts haben wir ein Ritual, das wir beide lieben. Wir liegen einer hinter dem andern, mit angezogenen Beinen. Ich schiebe ihr die Haare in den Nacken hoch, meine Hand ruht auf ihrer Hüfte. Irgendwann, und ohne dass wir uns des Zeitpunkts bewusst wären, vertauschen wir vollkommen synchron unsere Positionen. Wir genießen unsere Umarmungen, unsere Spiele, unser Bettgeflüster, und irgendwann fügt sich die Nacht zu diesem simplen Ballett. Nach dem Unfall liege ich nur noch auf dem Rücken. Sie schmiegt den Kopf an meinen Hals, sagt mir, wohin sie ihre Beine, ihre Arme legt, und ich stelle mir vor, wie sie liegt.
    So lange habe ich darunter gelitten, sie nicht liebkosen zu können, sie nicht lieben zu können.
    Ihr Kopf ruht an meinem Hals, und meine Nacht reduziert sich auf diese an mich geschmiegte Ehefrau. Nie hat sie sich beklagt. Sie, gezeichnet von ihrem Krebs, der sie Tag für Tag mehr schwächt, und ich, gelähmt in diesem Brennen, wir haben unsere Liebe auf diese beiden Köpfe begrenzt – oder vielmehr ausgedehnt –, die sich nachts zärtlich berühren. Wir stehlen uns einfach davon.

Béatrice
    Wir erwarten unser erstes Kind, Béatrice ist im vierten Monat, als sie Blutungen bekommt. Ich erinnere mich nicht mehr an das Krankenhaus, inzwischen bringe ich sie alle durcheinander. Aber den jungen Professor habe ich noch vor Augen. Er heißt Pariente. Das weiß ich noch ganz genau. Mit großer Freundlichkeit versichert er uns, dass beim nächsten Mal bestimmt alles gut gehen wird. Ich weine an Béatrices Bett. Sind es wirklich Tränen über ihre Qual? Sie ist es, die mich tröstet. Wir wohnen in einer Sozialwohnung an der Porte d’Orléans. Béatrice hat sich bereits wieder voller Elan in ihr Studium gestürzt.
    Bei der nächsten Schwangerschaft beginnen die Blutungen im dritten Monat. Sie übergeben mir den Fötus in einem Glasbehälter und tragen mir auf, ihn ins Labor zu bringen. Warum habe ich mir gemerkt, dass es mitten im Bois de Boulogne lag? Ich sehe mich, wie ich ein kleines, frei stehendes Gebäude betrete. Eine Frau in Weiß empfängt mich. Ich stelle das Glas auf der Theke ab. Sie scheint nicht überrascht zu sein. Verstört gehe ich wieder.
    Sie unterziehen uns allen möglichen Untersuchungen. Mich schicken sie zu einer Spermaanalyse. Frisch verheiratet, wie ich bin, reagiere ich verunsichert, als mir die Krankenschwester ein leeres Röhrchen in die Hand drückt und auf eine Tür zeigt. Ich gehe hinein, in der Annahme, einen Arzt zu treffen, und finde mich in einem kleinen Raum mit Waschbecken wieder, in dem Pornozeitschriften ausliegen.
    Nach einer demütigenden Ewigkeit ist die Aufgabe vollbracht und ich gebe das Röhrchen zurück.
    Unsere Laborwerte sind in Ordnung.
    Wir legen erfolgreich unsere Examina an der Sciences Po ab und beschließen, uns auf das Auswahlverfahren der ENA vorzubereiten.
    Béatrice ist

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