Ziemlich beste Freunde
zu sein, lässt mich nicht mehr los. Jedes Mal, wenn das Ärzteteam in meiner Anwesenheit in tiefes Schweigen verfällt, fühle ich mich schuldig. Als stellte ich, ohne es zu wollen, eine Bedrohung für sie dar. Sie haben die Forscher aus dem Weg geräumt, ich bin der einzige Zeuge ihrer Taten.
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Am Computer verfasse ich eine Nachricht für Béatrice. Nach zwei Stunden ist mein Hilferuf beendet, ich schlafe erschöpft ein. Als ich wieder aufwache, wundere ich mich darüber, wie ruhig ich geschlafen habe.
Béatrice kommt mich besuchen, ich bedeute ihr, die Diskette mitzunehmen und sie außerhalb des Krankenhauses zu lesen, weil man sie sonst erwischen könnte. Der Tag vergeht. Allmählich zweifle ich daran, ob meine Sorgen begründet sind. Ich döse ein.
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Nach dem Abendessen werde ich von einem Höllenlärm geweckt. Fußgetrappel. Schreie, Befehle, Möbel, die umgeworfen werden, ich meine sogar, ein Maschinengewehrfeuer zu erkennen. Meine Tür wird aufgerissen, ein Trupp baut sich um mein Bett auf. Die Männer tragen die Uniform der französischen Bereitschaftspolizei, alle sind mindestens sechzig Jahre alt.
Ganz zum Schluss kommt mein Schwiegervater herein. Als ehemaligem Polizeipräfekten ist es ihm rasch gelungen, Maßnahmen zu meinem Schutz in die Wege zu leiten und seine Kameraden vom Verfassungsschutz zu mobilisieren.
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Béatrice ist da, sie erzählt mir von den Kindern.
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Mein Schwiegervater stellt seine Truppen im Flur und unter meinem Fenster auf. Es kommt zum Kampf, seine Männer setzen sich erfolgreich zur Wehr. Vorsichtshalber werde ich in den Wipfel einer Eiche im Garten verfrachtet. Ich liege in einer Hängematte. Oben auf dem Krankenhausdach stehen Schützen, die einen meiner Bewacher erschießen, ehe sie selbst von einer Granate zerfetzt werden. Um das Kampfgebiet wimmelt es von Journalisten. Ich gebe über Mikrophon eine Erklärung ab und bitte den Premierminister darum, sich vermittelnd einzuschalten. Er kommt mit großem Gefolge. Er ordnet das Ende der Kampfhandlungen an. Ich verlange, dass man den Forschern die Möglichkeit gibt, mich zu operieren. Ein internationaler Appell wird erlassen. Wenige Tage später taucht die junge Forscherin vollkommen verwandelt wieder auf, mit Sonnenbrille und gefärbten Haaren. Mitsamt ihrer Ausrüstung wird sie auf die Eiche gehievt. Sie ist geschwächt. Die Kämpfe flackern erneut auf, während sie sich vergewissert, dass im Krankenhaus eine Steckdose für sie reserviert ist. Als es dunkel ist, hat sie schließlich von Kopf bis Fuß zitternd alle Anschlüsse gelegt. Leuchtraketen erhellen den Schauplatz. Ich küsse meinen Schwiegervater, bevor die Forscherin den Schalter umlegt, bedanke mich bei ihm und bitte ihn, für Béatrice und die Kinder zu sorgen.
Die junge Frau legt den Hebel um, ich schließe die Augen. Nichts. Es passiert rein gar nichts. Doch dann, plötzlich, ein gleißender, Funken sprühender Feuerball. Ich werde ohnmächtig.
*
Regungslos liege ich in meinem Krankenhausbett. Béatrice ist da und erzählt mir von den Kindern. Erstickte Schluchzer schütteln mich. Béatrice fragt mich, ob ich Schmerzen habe.
»Ich kann dir keine Antwort auf deine Nachricht geben, weil ich durch einen dummen Computerfehler versehentlich die Daten von der Diskette gelöscht habe.«
Alles gerät ins Wanken. Ich verfalle in tiefes Schweigen. Von Schuldgefühlen übermannt, unfähig, meinen Zustand zu akzeptieren und erschreckt von dem Wahnsinn, der mich zu ergreifen droht, fasse ich eines Nachts schließlich den Entschluss, mich umzubringen. Aber für einen Querschnittsgelähmten ist es nicht so leicht, Selbstmord zu begehen.
Ich schaffe es, mir den Sauerstoffschlauch um den Hals zu wickeln. Ich ziehe den Kopf nach hinten, werde ohnmächtig. Kurze Zeit später werde ich von grellem Licht geweckt. Das Gerät hat einen Alarm ausgelöst und die Krankenschwestern herbeigerufen, die alles wieder einstöpseln, als wäre nichts gewesen. Ab da beginnt die Stille.
Kerpape
Seit über einem Jahr liege ich jetzt im Bett. Béatrice stützt mich mit aller Kraft – und ist selbst am Ende ihrer Kräfte; wir beide sind nur noch eins. Mit unseren zerstörten Körpern sind wir die Lieblinge von Kerpape, dem Rehazentrum an der bretonischen Küste. Sie ist unbeschreiblich schön. Ich gehe übers Wasser in dieser Welt voller Wracks. Das Meer zu unseren Füßen wiegt sanft unsere Träume. Béatrices Blutbild hat sich
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