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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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warten schweigend. Wenn die Situation wieder unter Kontrolle ist, kehrt das Lachen umso heller zurück. Alle sind sich ihrer eigenen Verletzlichkeit bewusst. Jeder respektiert das Leiden des anderen. Zwischen uns herrscht wahre Brüderlichkeit. Zweimal ist mein Rollstuhl losgerollt, ohne dass ich ihn stoppen konnte. Dabei habe ich den Tisch mitgerissen. Schreckensschreie ertönten, aber niemand wurde verletzt.
     
    Unsere Kinder gehen in Larmor-Plage zur Schule. Sie sind Teil der großen Familie von Kerpape.
    Wie traurig für all die jungen Leute, die in der Regel verliebt, verlobt oder frisch verheiratet sind und nun plötzlich allein dastehen. Meistens sind es die Männer, die ihre verunglückten Frauen im Stich lassen. Aber es gibt auch Frauen, die es nicht mehr aushalten.
    Zarte Liebesbande knüpfen sich zwischen den Rollstühlen. Eine große, ganz gebeugte junge Frau wurde von ihrem Verlobten verlassen. Ich glaube, der ganze Saal ist in sie verliebt. Sie ist traurig.
    In der Etage der Schädeltraumata halten wir uns nie auf. Einmal habe ich eine Frau mit ihren vier Kindern und ihrem Mann vorbeigehen sehen. Sie schwiegen. Plötzlich fing der Mann an zu brüllen und wild herumzufuchteln; er war nicht mehr er selbst. Die Mutter weinte, die Kinder klammerten sich an sie. Man musste den Mann wegbringen. Die Schädeltraumata sind die Hölle. Ihr Aussehen verändert sich fast nicht, nur ihr Wesen.
     
    Im Krankenhaus habe ich das Elend des Schmerzes, die Einsamkeit der Krüppel, die Ausgeschlossenheit der Alten und Unproduktiven, den Verlust der Unschuld so vieler junger Menschen kennengelernt. Bis der Unfall mich mit diesem ungeheuren Leid konfrontierte, war ich davor geschützt. Manche jungen Menschen verbringen ein Jahr in diesen Zentren. Sie haben weder Fernsehen noch Radio noch Besuch. Sie verstecken sich, um ihre Verzweiflung herauszuweinen, ihre Schuldgefühle und das Gefühl einer himmelschreienden Ungerechtigkeit.
     
    Cyril leidet an einer unidentifizierten fortschreitenden Krankheit. Er stirbt in seinem Rollstuhl leise vor sich hin. Eines Abends gibt er eine Show. Wir sind unter uns. Cyril ist auf der Bühne. Wir lachen Tränen über seine Sketche. Er ist so erschöpft, dass seine Gesten ganz abgehackt sind, als er seinen Striptease aufführt. Er zieht alles aus, was er sich nicht mehr leisten kann. Am Ende sitzt er splitterfasernackt in seinem Rollstuhl, von dem er sogar die Räder abmontiert hat, weil die Krankenkasse sie ihm nicht mehr bezahlen will.
    Bis spät in die Nacht lachen wir mit Cyril und den anderen. Béatrice hat sich auf meinem schmalen Bett an mich geschmiegt. Sie schläft an meiner Schulter ein. Nie war es so ruhig und friedlich bei uns. Um die Kinder kümmern sich Freunde.
    Wir hätten weniger gelitten, wenn wir nicht wieder aufgewacht wären.
     
    *
     
    Béatrice ist erschöpft. Sechzehn Monate lang ist sie mir nicht von der Seite gewichen. Ihre Krankheit scheint zum Stillstand gekommen zu sein. Das ist eine Falle; je mehr Béatrice sich für mich aufopfert, desto höher wird der Preis sein, den sie dafür zahlen muss.
     
    Ich fühle mich wohl in Kerpape. Béatrice ist mit allen befreundet, unsere Kinder teilen sich die Patienten auf. Ich verfolge immer noch die Geschäfte der Firma. Ich treffe Entscheidungen, ich habe das Gefühl, etwas zu sagen zu haben. Béatrice braucht Ruhe, einen Tapetenwechsel, sie muss wieder zu sich finden. Sie will mich nicht allein lassen. Ich bleibe hartnäckig. Sie lässt sich zu drei Wochen Korsika überreden. Es wird ein Desaster für uns beide. Ich habe mich noch nicht von meinem Körper verabschiedet, ich halte nur durch, wenn sie da ist. Die Depression macht sich breit. Ich vergrabe mich im Bett. Ich kann nicht mehr sprechen.
     
    Ich habe meinem Unfall noch keinen Sinn verliehen. Nach Béatrices Abreise kehrt eine unruhige Stille ein. Die Psychiater versuchen mir zu helfen. Bin ich abgestürzt, um Béatrices letzte Leidensphase nicht miterleben zu müssen? Habe ich der Firma, die zum ersten Mal in fünfzig Jahren Hunderte von Entlassungen forderte, meinen Kopf auf einem Silbertablett serviert? Bin ich, der ich immer die Extreme gesucht habe, diesmal einfach einen Schritt zu weit gegangen? Wollte ich Béatrice nahe sein, ihr Leiden, ihre Ängste teilen? Vielleicht. Wenn sie nicht da ist, existiere ich nicht.
    Ich habe keinen Willen mehr, habe auf nichts Lust. Nur die Gewohnheit hält mich oben auf meinem Glaskugelbett. Ich würde gern schlafen, aber

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