Ziemlich beste Freunde
stellen sie meine linke Ferse in eine weiße Plastikform, aus der etliche Kabel ragen. Die beiden Wissenschaftler stöpseln sie rasch in eine Schachtel, die Ähnlichkeit mit einem Akkuladegerät hat. Als alles bereit ist, warten sie auf mein Signal. Ich habe nichts mehr zu verlieren. »Legen Sie los!« Anfangs spüre ich nichts, dann ein sanftes Kribbeln. Es intensiviert sich, wird zu einem Prickeln, das in ein Brutzeln ausartet. Als mir der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase steigt, schalten sie den Strom aus. Sie stellen die Form wieder in die Schachtel zurück. Die junge Frau massiert meine Ferse mit einer grünlichen Salbe. Kein Wort fällt. Meine Cousine Catherine wirkt verstört. Der große Zeh beginnt zu zittern, nach einer Weile kann ich alle fünf Zehen bewegen und mit dem Fuß kreisen.
Ein Wunder!
»Wie ist es möglich, dass Ihre Methode nicht bekannt ist?«
»Wir befinden uns noch in der Experimentierphase«, sagt die junge Forscherin. »Der Prototyp für Tetraplegiker ist noch nicht fertiggestellt, aber in sechs bis acht Wochen sollten wir ihn der Kommission, die für die Pariser Krankenhäuser zuständig ist, präsentieren können.«
*
Die Zeit vergeht, ich lasse Béatrice wissen, dass ich mir Sorgen mache, weil ich nichts von den beiden Forschern höre. Mit einer Engelsgeduld gelingt es ihr herauszufinden, dass Catherine mir zwei Personen vorgestellt hat. Béatrice kommt am nächsten Tag wieder und berichtet, meine Cousine wisse nicht, von wem ich spreche.
Ich werde rot wie damals, als kleines Kind, wenn man mich beim Lügen ertappt hatte. Ich bin außer mir. Béatrice versucht mich zu beruhigen, indem sie mir zu verstehen gibt, dass sie noch einmal mit Catherine sprechen will.
*
Abends erklärt mir die Krankenschwester, dass meine medikamentöse Therapie verändert worden sei und ich nun mehr Prozac erhalte.
Am nächsten Morgen wache ich nur mühsam auf, ich fühle mich wie gerädert. Selbst mein linker Fuß reagiert nicht mehr.
*
Béatrice versucht, mich mit Geschichten von der Familie aufzumuntern, sie liest mir aus der Zeitung vor und stellt das Fernsehen auf den Krankenhaussender ein. Ohne Erfolg.
*
Eines Abends – ich bin diesmal nicht ganz so lethargisch – sehe ich die beiden Forscher im Fernsehen, sie unterhalten sich angeregt. Es ist mir nicht gleich klar, worüber sie sprechen, ich habe das Gefühl, dass es keine Live-Übertragung ist, sondern dass eine Videoaufzeichnung eine Fernsehsendung überlagert.
Sie sind weiter abgemagert, regen sich darüber auf, dass die Pariser Krankenhauskommission sich weigert, mit ihnen zu sprechen. Über die Pflegedienstleitung versuche ich, an eine Kopie der Sendung zu kommen. Sie tun so, als verstünden sie mich nicht. Dabei war das nicht nur ein Traum. Der Rollstuhlschieber bestätigt es mir: Er hat die Forscher auch im Fernsehen gesehen.
Abends wird die Medikamentendosis noch mal erhöht. Ich bin jetzt immer seltener bei klarem Verstand.
Sie können uns heilen, uns alle, die wir rasselnd durch unseren Luftröhrenschnitt atmen. Alle, die monatelang im Krankenhaus liegen müssen, werden bald wieder frei sein.
Einmal fällt es mir nachts schwer zu atmen, es strömt keine Luft aus dem Beatmungsgerät. Ich drücke mit dem Kopf auf den Knopf, um die Krankenschwester zu rufen. Es kommt keiner. Ich versuche es weiter, ohne Erfolg. Bestimmt werde ich ersticken.
Ich muss ohnmächtig geworden sein, denn als ich die Augen öffne, geht die Sonne auf. In einer Stunde ist Schichtwechsel, ich muss durchhalten, bis der Rollstuhlschieber da ist. Als er den Raum betritt, erfasst er sofort, was los ist, stürzt zu mir und ich bekomme wieder Luft.
Ich schlafe den ganzen Tag. Nachts wird eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren ins gläserne Bett neben meinem gelegt. Sie schreit wie wahnsinnig vor Schmerzen. Es sieht so aus, als hätte sie keine Beine mehr. Spritzen bringen sie zum Schweigen. Am anderen Ende des gemeinsamen Schlafsaals erlischt erst eine Lampe, dann die nächste. Die erste geht wieder an.
Überall um mich herum gehen die Lampen an und aus.
Das Spiel hört auf, als meine Lampe erlischt.
Ich sehe nach: Mein Beatmungsgerät funktioniert noch, es muss an einen unabhängigen Stromkreis angeschlossen sein. Die junge Frau mit den schwarzen Haaren und zwei weitere Patienten sterben.
Das alles darf nicht nach außen dringen. Das Gefühl, das Opfer einer Verschwörung
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