Ziemlich beste Freunde
nichts weh, ich weine; ich gehöre mir nicht mehr, dieser Körper ist in Auflösung begriffen. Ich kann nichts dagegen tun.
Ich möchte mit dir sprechen, Béatrice, doch eine panische Angst überwältigt mich. Ich habe das Gefühl, unerwünscht zu sein auf dieser Erde, mich zurückziehen zu müssen. Ich sterbe allein hier in diesem Bett. Mein Kopf fühlt sich an wie in einer Schraubzwinge, ich möchte jetzt noch nicht gehen. Ich versuche, meine verkrampfte Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Es kostet mich sehr viel Mühe, die in meiner Lunge angesammelte Luft hinauszubefördern. Ständig habe ich Spasmen, ich bin steif und kalt, als wäre ich schon abgetreten.
Abdel zieht mich an. Ich bitte ihn, mich unter die Linde neben dem Brunnen zu schieben. Vor drei Jahren hat es hier gebrannt, jetzt blühen wieder zwei Akazien. Sie bilden den Rahmen für ein wunderschönes Landschaftspanorama. Hin und wieder hallt ein Hammerschlag: Es sind Handwerker, die das Château restaurieren.
Unter dem Einfluss der Meeresluft verwitterte das Schloss innerhalb eines Jahrhunderts, mehrmals leckten die Flammen daran, bis das Dach 1978 endgültig Feuer fing. Der Einsatz von Löschflugzeugen blieb ohne Erfolg. Hunderte von Feuerwehrleuten versuchten, das Denkmal zu retten; dabei wurden drei Männer vom Feuer umzingelt. Der jüngste versuchte vor den Flammen zu fliehen, die beiden Erfahreneren gingen ihnen entgegen. Den Jungen holten die Flammen rasch ein. Er starb einige Hundert Meter von der Stelle, an der ich jetzt sitze. Am Straßenrand weiter unten sehe ich die Gedenktafel, die an seinen Tod erinnert. Seither finden jedes Jahr am 7. August Feierlichkeiten statt; die Musikkapelle des Dorfs Alata, die Feuerwehrleute der Stadt, der Bürgermeister, einige andere Würdenträger und die Angehörigen nehmen daran teil. Armer Feuersoldat, der du traurig am Rand der Straße der Herzöge Pozzo di Borgo begraben liegst, dir ist es völlig gleichgültig, dass einer dieser Pozzos an dich denkt. Lieber wäre es dir gewesen zu leben. So liegst du in der Klemme zwischen den überlebenden Pozzos im Turm und den toten Pozzos in der Kapelle.
Wieder höre ich die Glocke läuten. Ich weiß nicht, was das Tonband aufnimmt – das Glockengeläut oder meine Spinnereien. Ich ahne, dass die Kuh genau hinter mir steht, doch ich kann mich nicht umdrehen. Sie amüsiert sich sicher über diesen Krüppel, der Selbstgespräche führt. Keine Sorge, meine Alte, dich kriegen sie eines Tages auch noch!
Tote gibt es überall in unseren Bergen. In der Ferne fliegt ein Militärhubschrauber vorüber. Genau so einer hat mich vor ein paar Jahren bei einer Gleitschirmexpedition aufgelesen. Wir wollten ein Familienpicknick am Strand machen und ich hatte beschlossen, mit dem Gleitschirm nachzukommen und von La Punta, gleich oberhalb des Schlosses, zu starten. Das Gelände kannte ich nicht sehr gut, doch ich sah eine Felsspitze und nahm an, ich bräuchte nur darüber hinwegzufliegen, um zum Strand zu gelangen. Gegen sechs Uhr abends flog ich in Turnschuhen, Shorts und dünnem Unterhemd los. Hinter der Spitze erwartete mich jedoch die Macchia, und ich landete übel zugerichtet zwischen drei Meter hohen Sträuchern. Mit zusammengelegtem Schirm kämpfte ich mich einen Wildschweinpfad entlang, danach sah es jedenfalls aus. Mein Plan war, vom nächsten Gipfel wieder abzuheben, doch als ich nach einer Stunde mühsamen Vorankommens oben auf einem Berg stand, war der gesuchte Strand weit und breit nicht zu sehen. Zum Umkehren war es nun zu spät. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf einem Felsen in meinen Gleitschirm zu wickeln und die Nacht in der Macchia zu verbringen.
Später erfuhr ich, dass Béatrice die Polizei benachrichtigt hatte.
»Wie alt ist denn Ihr Sohn?«
»Es geht um meinen Mann!«
»Ja, wo ist denn das Problem? Ist Ihr Mann noch nie über Nacht weggeblieben?«
Sie ließ nicht locker, trotzdem waren sie erst gegen sechs Uhr morgens bereit, etwas zu unternehmen. Sie schickten einen Hubschrauber los, um mich zu suchen. Er flog mich ins Krankenhaus, man stellte sicher, dass ich mir nichts gebrochen hatte und meine Wunden nur oberflächlich waren. Der Pilot war sogar so nett, mich zu Hause abzusetzen. Ich duschte rasch, schlüpfte in Anzug und Krawatte und flog zu einem Meeting mit der Konzernleitung nach Paris. Ich hatte kaum Zeit, Béatrice zu begrüßen, die nach der durchwachten Nacht völlig erschöpft war. Es verschlug ihr die Sprache, als ich
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