Ziemlich beste Freunde
sie wiedersehen.« Ich sehe zu, wie Abdel weiter unten mit den Kindern am Strand spielt. Laetitia gibt sich ganz der sengenden Sonne hin. Ihr Haar ist glänzend schwarz, ihre Haut weiß. Sie ist eine richtige Frau geworden. Barbaras Meute tobt sich aus. Heute Abend sollen wir sie am großen Strand von Capo di Feno treffen.
Abdel packt mich in das kleine Auto. Robert-Jean setzt sich hinter mich und hält mich in den Kurven fest. Wir fahren zur Hütte von Pierretou auf einem riesengroßen, herrlichen und gefährlichen Strand. Mein tolles Team transportiert mich über den Sand und setzt mich ans Kopfende der Tafel. Die Kinder baden nackt im Meer, das ihnen hier ganz allein gehört. Ich lasse mich vom Rauschen der Brandung einlullen. Die Dunkelheit ist hereingebrochen. Ich bin in meinem Rollstuhl zusammengesunken. Ein paar junge Frauen grüßen mich mit einem Lächeln. Ich döse, bis sich die Kinder um den langen Tisch unter den Kokospalmen versammeln. Mein Cousin Philippe nimmt die Dinge in die Hand. Für uns gibt es Spaghetti mit Tintenfisch – fangfrisch von heute Nachmittag – und einen einfachen Wein aus dem Hinterland, ohne Etikett. Die Kinder schlagen sich genüsslich den Bauch voll. Den kleinen François schicken sie ans andere Ende des Tisches; er schmollt. Ich gebe ihm einen Wink, dass er sich zwischen seinen Vater und mich setzen soll. Er lispelt und strahlt übers ganze Gesicht: Er ist das sensibelste von Barbaras Kindern. Dann ist da Marie mit dem flapsigen Wortschatz ihrer sechzehn Jahre, Titou, der Kleinste, mit den kugelrunden Augen und Josephine, in die Robert-Jean verliebt ist, wie wir damals alle in ihre Mutter verliebt waren. Die Kinder stehen auf, um sich ein Eis zu holen, und verschwinden in der Nacht. Wie oft war ich mit Béatrice zusammen hier! Allein, nur wir beide, haben wir die Nächte am Strand verbracht. Sie war glücklich. Von Zeit zu Zeit wachten wir, ausgekühlt, vom Rauschen der Brandung auf.
Um Mitternacht packt mich wieder ein heftiges Zittern. Ich gebe Abdel das Zeichen zum Aufbruch, ziehe mich ganz in mich zurück. Die Schmerzen sind wieder da. Solche Schmerzen hatte ich voriges Jahr, als Béatrice noch da war. Aber jetzt bin ich allein. Dumpfe, stupide Schmerzen. Harnstau. Der Katheter verstopft sich, der Urin fließt in die Nieren zurück, ins Blut. Er steigt einem in den Kopf und lässt einen explodieren. Zu dumm. Béatrice ist auf diese Weise binnen drei Tagen von uns gegangen. Ich halte es fünf Minuten aus, dann kann ich nicht mehr und brülle wie ein Tier.
Mir zerspringt das Gehirn. Ich kann nichts mehr sehen, ich ersticke. Drei Stunden lang kämpft Abdel mit den Schläuchen. Von Zeit zu Zeit klärt sich der Katheter, der Blutdruck sinkt von dreihundert auf hundertzwanzig, das Gehirn atmet auf. Ich denke schon, dass jetzt alles vorbei ist, bis mich eine neue Attacke überrollt.
Abdel versucht die ganze Nacht, mit Spritzen die Sauerei in den Schläuchen zu bereinigen. Am Morgen bin ich schweißgebadet, das Bett ist klatschnass, die Schmerzen nehmen wieder zu. Ich will Béatrice folgen, ich reagiere nicht mehr. Abdel ruft einen Krankenwagen. Es hilft nichts: Ich muss abwarten, es aushalten, nicht dagegen ankämpfen, Kraft schöpfen, wenn es nachlässt, es geschehen lassen, wenn eine neue Attacke kommt.
Im Krankenhaus hat nur ein einziger Arzt Wochenenddienst. Es herrscht Chaos. Die Krankenschwestern freuen sich, einen Pozzo dazuhaben. Früher sind sie mal auf dem Schloss empfangen worden usw. Der Arzt spricht von Operation, Abdel leistet passiven Widerstand. Ich bleibe zur Beobachtung da. Immer noch rinnt mir der Schweiß in großen Tropfen herunter. Um acht Uhr erneuter Alarm. Der Arzt schickt mich per Krankenwagen in die Berge zurück. Abdel bringt mich zu Bett. Es wird eine furchtbare Nacht. Am nächsten Morgen sind wir mehrmals nahe daran, wieder ins Krankenhaus zu fahren. Schließlich ruft Abdel dort an und bittet um einen Katheter mit einem größeren Durchmesser. Ich schwitze immer noch, doch einen guten halben Tag lang ist es erträglich.
Um diese Zeit trifft meine Schwester Alexandra mit ihrem Sohn ein. Ich bleibe im Bett, bin außerstande, sie zu begrüßen. Um zwei Uhr nachts sind die Schmerzen nicht mehr auszuhalten. Ich kann mich nicht erinnern, jemals solche Qualen erlebt zu haben, so sinnlos, wie die einer Frau, die ein totes Kind gebären muss.
Bei unserem ersten Kind biss Béatrice vor Wut und Schmerzen die Zähne zusammen. Ich hingegen brülle.
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