Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
Vom Netzwerk:
Begleiterin, sondern als meine Gefährtin, die ich hinters Ohr küssen und der ich meine heißen Sehnsüchte zuflüstern darf.
     
    Natürlich müsste sie mich dazu lieben. Aber das lässt sich nicht erzwingen. Es geschieht oder es geschieht nicht. Vielleicht geschieht es nie.

Horizont
    Seit drei Tagen liege ich und brenne. Drei Tage Gewitter über Paris und kein Tropfen Regen, der mir Linderung verschaffen würde. Abdel kühlt mir die Stirn und die Augen mit einem Waschlappen. Ich warte. Von Zeit zu Zeit drückt er einen mit kaltem Wasser getränkten Schwamm an meinen Hals, direkt über der Schlagader. Im Rhythmus dieser Gesten harre ich aus.
     
    Samstagnacht habe ich wachgelegen. Die Lichtkegel der Autoscheinwerfer an der Decke markierten den Takt der verstreichenden Zeit.
     
    Eine große Fliege tauchte auf und hat mich abgelenkt, es war wie ein plötzlicher Stimmungsumschwung: vor und nach der Fliege. Ich hätte es gern gehabt, wenn noch mehr Fliegen mich abgelenkt hätten, aber es gab nur die Zeit vor und nach dieser einen. Diese dicken, die surrend gegen die Fensterscheibe prallen, sich irgendwo ein paar Sekunden ausruhen und dann erneut zu surren anfangen, scheint es kaum noch zu geben. Meine hier hat nur eine Runde gedreht. Verzweifelt habe ich auf ihre Rückkehr gewartet.
     
    Die Dunkelheit kehrt ein. Die Umrisse verschwimmen, der Körper schwebt im Murmeln des sanft wogenden Betts. Das Brennen hat dieses Bett überflutet und kennt keine Grenzen mehr. Ich erinnere mich an die Wärme ihres Körpers und der Laken. Meine geröteten Augen sind geschlossen, meine Kehle ist wie zugeschnürt, die Spasmen stören den Rhythmus des Betts und der Katze. Es kommen keine Tränen mehr. Ich erahne das Metallstück in meinem Hals, welches das unerträgliche Wrack meines Körpers mit diesem Kopf, der nicht schlafen will, verbindet. Nur nicht an die Vergangenheit denken. Sondern ein frisches Bild finden und es hinter meinen Augenlidern einprägen. Immer wieder Béatrice. Ich drehe den Kopf zu der Seite, auf der sie liegen sollte. In der Stille dröhnen mir die Ohren, ein Herzschlag ist zu hören. Kein Schlaf, keine Pause. Ich durchlebe noch einmal die letzten Sekunden vor dem Sturz. Hätte ich doch nur … Konzentriere dich auf die Kinder. Der Rest ist eine schmerzliche Hoffnung. Aushalten. Nicht endgültig einschlafen. Den Morgen abwarten, wenn die Schwester kommt.
     
    Sonntag, Abdel hat mich um ein Uhr nachmittags geweckt. Er dachte, ich würde nicht mehr atmen.
     
    Ein Freund, den ich seit zwanzig Jahren nicht gesehen habe, hat sich zum Mittagessen eingeladen. Zwanzig Jahre oder gestern, es ist einerlei.
     
    Man muss warten.
     
    Mein Onkel François, Missionar in Vietnam, wurde von den Vietcong lebendig begraben. Nur seinen Kopf haben sie herausschauen lassen und ihn zu Tode gemartert. Er war gelähmt wie ich, aber die Erde hielt ihn kühl. Bei ihm war es der Kopf, der brannte. Er hat seine Zuflucht im Gebet gesucht. Ich warte, dass mir der Himmel auf den Kopf fällt.
     
    Der Freund war da, wie auch die anderen, die in den letzten drei Tagen vorbeigekommen sind, wie die Anrufe, die ich nicht erwidert habe.
     
    Er ist wieder gegangen, nachdem er mir seine letzten zwanzig Lebensjahre erzählt und ich wortlos zugehört hatte. Er wusste nicht recht, was er sagen sollte. Manchmal brauchte er für einige Tage seines Lebens endlose Minuten, dann wieder handelte er ein Jahr in ein paar Sekunden ab.
     
    Ich bleibe voller Ernst in meinem Bett versunken.
     
    Marc, der treue Krankengymnast, kam heute vorbei. Ich habe die Bewegungen, die er diesen leblosen Körper veranstalten ließ, nicht einmal mitverfolgt. Er wollte mich zum Lachen bringen.
     
    Alain de Polignac, mein fürstlicher Freund, hat mir von der Champagne erzählt. Ich erinnere mich nicht mehr.
     
    Abdel hat mir eine Zigarette angezündet. Das Brennen in meiner Lunge ist köstlich.
     
    Die Frische des Gebirgsbachs von Vizzavona, oberhalb von Ajaccio, durchströmt mich wie damals, als wir nackt darin badeten, als Kinder, oder später, mit Béatrice. Das Brennen vermischt sich mit dem Beißen der Kälte.
     
    Ich warte auf die Dunkelheit.
     
    Im Lauf der Tage und Wochen habe ich den Faden der Erinnerung verloren. Die Vergangenheit ist verflacht. Sie ist leblos wie ich.
     
    Der Sprühende, ständig Aktive, Ehrgeizige, Genießerische hat keine Lust mehr. Es ist meine Schuld. Ich habe Béatrice getötet. Ich habe das Leben meiner Kinder verpfuscht. Die Zukunft

Weitere Kostenlose Bücher